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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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Zuhause blieb.
    Das erste Bild, das er von der Wand nahm, hing am Fußende seines Bettes. Ihm fiel auf, dass er es eine ganze Weile nicht mehr betrachtet hatte. Andererseits war das auch nicht nötig, da er ohnehin jede Einzelheit darauf kannte. Jedes Gesicht in jeder einzelnen Reihe war ihm vertraut, sogar die Struktur der Wand hinter den Abgebildeten und der Betonboden unter ihren Stiefeln. Er hätte blind beschreiben können, wie sie die Arme hielten, wer von ihnen lächelte, wer eher misstrauisch in die Kamera blickte und wer seine Krawatte an diesem Morgen nicht korrekt gebunden hatte. Er wusste genau, wie sich der Mahagonirahmen anfühlte, die abgerundeten Ecken, die sanfte Erhebung im Holz neben der einen Ecke, die seine Finger immer wieder fanden. Er erinnerte sich an den kleinen Kratzer im Glas, der fast im Schatten eines Stuhles verschwand, auf dem einer der Beamten in der ersten Reihe saß. Wenn man das Bild ins licht hielt, wurde der Kratzer sichtbar. Er erinnerte sich nicht mehr daran, wie er zustande gekommen war. Irgendwie war er schon immer da gewesen. Vorsichtig schlug er das Bild zuerst in Seidenpapier und dann in mehrere Schichten Zeitung ein, ehe er es zuunterst in den Karton legte. Mehrere weniger wichtige Fotos folgten. War das Bild besser geschützt, wenn es ganz oben läge? Doch es erschien ihm durchaus richtig, dass es unten lag, unter allem anderen, was sich im Lauf seines Lebens angesammelt hatte. Trotzdem würde es in der neuen Wohnung einen Ehrenplatz bekommen. Es würde ihr eine Art stillschweigende Anerkennung verleihen. Cooper wusste schon genau, wo er es hinhängen wollte.
    Kaum war er mit Matt in der Welbeck Street angekommen, herrschte hektische Betriebsamkeit. Seine Schwägerin Kate kam mit den Mädchen, um sich die Wohnung anzusehen. Die drei ließen sich nicht davon abhalten, nach Putzzeug zu suchen und sämtliche Oberflächen in Küche und Bad zu wienern, bis sie glänzten. Matt stand im Wintergarten und musterte den kleinen, verwilderten Garten und die Rückwände der Häuser, die dahinter aufragten. Dann ging er durchs Wohnzimmer und schaute aus dem vorderen Fenster auf die Straße. Vor dem Haus gegenüber stand eine Reihe geparkter Autos. Tauwasser tropfte von den Dächern.
    »Besser du als ich, Ben«, sagte er nach einer Weile.
    Cooper wusste, was sein Bruder meinte. Obwohl die Welbeck Street nur ein paar Kilometer von Bridge End entfernt war, lagen Welten dazwischen. Aber er war fest davon überzeugt, dass er sich daran gewöhnen würde. Matt würde es wesentlich schwerer fallen, sich umzustellen, falls es jemals dazu kam, dass er den Hof verkaufen musste.
    Cooper hatte herausgefunden, dass seine neue Vermieterin einen Jack-Russell-Terrier namens Jasper besaß, den er nun im Hof nebenan kläffen hörte.
    Kurz darauf kam Mrs Shelley vorbei, um zu sehen, wie er zurechtkam. Lawrence Daley war bei ihr. Er trug eine Fliege und schüttelte allen die Hand, inklusive Josie und Amy, was dazu führte, dass sie noch eine halbe Stunde später hysterisch kicherten. Mrs Shelley sah Kate zu, wie sie die Küche putzte, und nickte beifällig.
    Dann kam Coopers Schwester Claire vorbei und jammerte wie immer, sie habe eigentlich keine Zeit, trotzdem sei es ihr gelungen, ein paar Minuten für ihn abzuzwacken. Sie brachte eine Glückwunschkarte zum Einzug und eine Flasche Weißwein mit und war kurz darauf auch schon wieder in einer Parfümwolke zu ihrem Kunstgewerbeladen in der Bold Lane abgerauscht. Die Mädchen gurrten im Wintergarten über dem Kater, der dieses Ausmaß an Aufmerksamkeit sichtlich genoss. Er schnurrte so laut, dass die Scheiben vibrierten.
    Cooper saß auf einem Koffer und beobachtete unbehaglich das Treiben. Er war von seiner Familie umgeben, von den Menschen, die er seit Jahren kannte, einige von ihnen schon sein ganzes Leben. Neunundzwanzig Jahre hatte er mit Matt unter einem Dach gewohnt. Doch nun, da sie sich alle an einem so wenig vertrauten Ort befanden, kam er sich mit einem Mal wie ein Fremder vor. In einer halben Stunde wären sie alle wieder weg, verschwunden wie das Meer bei Ebbe, und würden ihn hier wie ein Stück Seetang zurücklassen, das von den Wellen auf die Felsen geworfen wird und langsam in der Sonne vertrocknet. Er würde allein in diesem kleinen Haus bleiben müssen, von dem er nicht einmal wusste, wo sich der Stromzähler befand, während sie alle nach Hause fuhren.
    Sogar Onkel John und Tante Margaret hatten unvermittelt auf der Schwelle gestanden

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