Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
Vom Netzwerk:
Staffel.«
    »Stimmt.«
    Sie kamen an zwei Radfahrern vorbei, einem Pärchen in den Dreißigern, das auf einer Bank saß und Tee aus Pappbechern trank; die Helme lagen neben ihnen auf den Holzlatten, während sie mit ausgestreckten Füßen den Enten bei der Futtersuche zusahen. Sie saßen einfach nur da, ohne miteinander zu reden, und hoben die Köpfe nur, um erstaunt einen weißhaarigen Mann anzublicken, der ihnen eine religiöse Broschüre entgegenstreckte.
    »Wie lange wollen Sie noch in der Gegend bleiben?«, fragte Cooper.
    »So lange wie nötig.«
    »Haben Sie keinen Beruf, der Sie nach Toronto zurückruft?«
    »Ich bin Lehrerin an der High School. Aber ich habe mich für ein Jahr beurlauben lassen«, erwiderte sie mit einem flüchtigen Lächeln.
    »Wie schön. Und Sie haben keine Familie?«
    »Nur meine Mutter und meinen älteren Bruder. Sie unterstützen mich in jeder Hinsicht. Meine Mutter und ich sind uns sehr ähnlich. Wir haben in dieser Angelegenheit die gleichen Ansichten. Wir müssen herausfinden, wie das letzte Kapitel ausgeht. Wir müssen es einfach wissen, Ben.«
    »Ihre Großmutter stand also 1945 ganz allein mit einem kleinen Kind da, das sie ohne Hilfe großziehen musste.«
    »Nicht lange. Sie hat einen anderen Mann gefunden. Der Mädchenname meiner Mutter war Rees. Sie hat den Namen meines Stiefvaters Kenneth Rees angenommen.«
    »Ihre Großmutter hat also wieder geheiratet?«
    »Wie denn? Ihr Mann wurde ja nicht einmal für tot erklärt. Und in Wahrheit hat sie auch nicht geglaubt, dass er tot ist. Aber sie brauchte jemanden, der sie unterstützte und ihr half, meine Mutter aufzuziehen. So war das damals. Und Kenneth Rees war ein guter Mann. Er hat ihr Verhalten nie in Frage gestellt, sagt meine Mutter. Ich erinnere mich noch gut an ihn, obwohl er schon fünfzehn Jahre tot ist.«
    Seltsamerweise suchte Cooper nach einer Möglichkeit, Alison nach einem Foto von Kenneth Rees zu fragen. Er hätte es gern mit einer der Aufnahmen von Danny McTeague verglichen.
    »Woher stammte Rees?«
    »Aus Newcastle on Tyne. Er war als Bauingenieur nach Kanada gekommen. Um Brücken zu bauen.«
    »War er ungefähr im gleichen Alter wie Ihr richtiger Großvater?«
    »Ungefähr.«
    »Vermutlich kannte ihn Ihre Großmutter schon vorher. Oder hat sie ihn erst kennen gelernt, nachdem Ihr Großvater vermisst wurde?«
    Cooper stellte plötzlich fest, dass Alison Morrissey nicht mehr neben ihm ging. Als er sich umdrehte, sah er, dass sie ein paar Meter hinter ihm stehen geblieben war. Sie hatte die Hände wieder tief in die Manteltaschen geschoben, so wie er sie zuletzt vor Walter Rowlands Haus gesehen hatte. Ihre Haltung verriet Verärgerung und zugleich eine gewisse Abwehr. Eigensinnig und gleichzeitig schrecklich verletzlich.
    »Sie denken jetzt, dass Kenneth Rees mein richtiger Großvater war, nur unter anderem Namen«, sagte sie. »Warum hätte er meine Großmutter auch heiraten sollen – sie waren ja schon verheiratet. Er durfte sich nicht zu erkennen geben, weil er ein Deserteur war. Man hätte ihn ins Gefängnis gesteckt.«
    »Das habe ich nicht gedacht.«
    »Kenneth Rees war Ingenieur aus Newcastle. Er hatte rote Haare. Er war nur einsachtundsechzig groß. Sein Akzent war kaum zu verstehen.«
    »Sie sagten, er ist inzwischen gestorben?«
    »Ja, aber wenn Sie wollen, lasse ich Ihnen seine Beschreibung zufaxen. Mit Foto.«
    Cooper hätte furchtbar gern gesagt, dass das nicht nötig sei, aber er wusste, dass er die Unterlagen um seines eigenen Seelenfriedens willen mit eigenen Augen sehen musste. Als Alison aufging, weshalb er ihr Angebot nicht ablehnte, nickte sie. »Ich rufe meine Mutter gleich heute Nachmittag an und bitte sie darum«, sagte sie. »Dann haben Sie das Ganze am Montagmorgen. Reicht Ihnen das?«
    »Selbstverständlich.«
    »Haben Sie E-Mail?«
    »Ein Fax geht in Ordnung.«
    Morrissey blickte zum Hotel auf der anderen Straßenseite hinüber. Sie wirkte ein wenig enttäuscht, aber bis jetzt hatte sie sich als unverwüstlich erwiesen, und Cooper wusste, dass ihre Verstimmung nicht von langer Dauer sein würde. Zumindest hoffte er das.
    »Vielen Dank für das Mittagessen«, sagte sie.
    »Sie haben doch selbst für sich bezahlt«, sagte Cooper. »Ich habe Sie zu nichts eingeladen.«
    »Dann eben nicht.«
    Cooper sah Morrissey nach, wie sie durch das Eisentor ging und im Hotel verschwand. Er wusste, dass irgendetwas an ihrer Geschichte nicht stimmte. Und zwar nicht seine wilde Vermutung hinsichtlich des

Weitere Kostenlose Bücher