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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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hier oben war völlig anders als die im Bungalow der Lukasz' oder in Walter Rowlands Haus, sogar anders als bei George Malkin. Sie war sauber und klar. Es glich einem Sakrileg, an diesem Morgen durch den jungfräulichen Schnee zu stapfen. Eine einzelne Spur war etwas anderes, da sie die unversehrte Reinheit ringsum noch betonte. Aber wenn mehrere Stiefelpaare durch den Schnee trampelten, ihn in Matsch verwandelten und mit ihren schmutzigen Sohlen besudelten, sah sofort die ganze Umgebung befleckt und schäbig aus.
    »Wer legt diese Mohnblumen hier ab?«, fragte Caudwell.
    »Keine Ahnung«, antwortete Cooper. »Vielleicht irgendwelche Veteranenorganisationen, die der Meinung sind, man sollte die Besatzung in Erinnerung behalten. Vielleicht aber auch Fliegerkadetten aus der Gegend.«
    »Meinen Sie, die kommen jedes Jahr am Volkstrauertag hier herauf?«
    »Durchaus möglich.«
    »Und was ist hiermit?«
    Cooper ging zu ihr hinüber. Jemand hatte ein Holzkreuz mit einer einzelnen Mohnblume unter das Fahrwerk geschoben. Das Kreuz ragte aus einem Flecken tauenden Schnees, und die Blume leuchtete so hellrot wie ein Spritzer Arterienblut aus einer frischen Wunde.
    »Ich glaube, Ihre Kollegin hat Recht gehabt. Das hier sieht nicht aus, als wäre es schon zwei Monate hier.«
    »Inzwischen hat es oft geregnet«, sagte Cooper. »Die Farbe wäre längst herausgewaschen, so wie bei den anderen.«
    »Wann genau ist die Maschine abgestürzt?«
    »Am 7. Januar 1945.«
    »Der siebte war vor einer Woche«, stellte Caudwell fest. »Der Tag, an dem Nick ermordet wurde.«
    »Na und?«
    Caudwell sah ihn gereizt an. »Männer verstehen so was nicht«, sagte sie. »Aber Jahrestage sind für manche Leute sehr wichtig. Geburtstage, Todestage, der Tag, an dem man seiner großen Liebe zum ersten Mal begegnet ist. Das sind Daten, die man nie vergisst.«
    »Ja, das kenne ich«, erwiderte Cooper und dachte an den alljährlichen Besuch mit Matt am Grab seines Vaters, der schon bald zu einem Ritual werden würde, bis sie beide zu alt oder zu gebrechlich für den Weg zum Friedhof wurden. »Dann waren das wohl Verwandte von einem der Besatzungsmitglieder?«
    Caudwell tauschte ihre Handschuhe gegen ein Paar aus Plastik aus einem Päckchen in ihrem Mantel. »Jemand, der fand, er müsste das Kreuz am entsprechenden Tag hier hinlegen, egal wie das Wetter war.«
    Cooper drehte sich um und schaute über das weite, schneebedeckte Heidemoor bergab zu einer Stelle, die sich deutlich von der Umgebung abhob. Sie sah nackt und braun aus, aufgewühlt von den Stiefeln der Männer, die um einen gefrorenen Leichnam herumgestanden und Witze über Eispickel und Thermometer gerissen hatten.
    Zu seiner Überraschung sprach Sergeant Caudwell aus, was er dachte.
    »Marie Tennent«, sagte sie.
    Cooper starrte sie an. »Woher wissen Sie von Marie?«
    »Eine Kombination aus Ortskenntnis, gründlicher Detektivarbeit und interdisziplinärer Kooperation. Ich habe die Akte gelesen. Wir müssen die Mohnblume mitnehmen.«
    Liz Petty kam herüber und machte Aufnahmen von der Mohnblume und ihrer Befestigung an dem Kreuz, ehe sie es vorsichtig aus dem Boden zog. Jetzt sah Cooper, dass auf dem Holz eine weiße Inschrift stand, die aussah, als wäre sie mit Tipp-Ex geschrieben.
    »Wir haben Marie Tennents Leiche ein paar hundert Meter weiter weg gefunden«, sagte er. »Sie lag dort schon mehrere Tage. Wahrscheinlich war es Selbstmord. Ich glaube, wir haben noch nicht einmal den Obduktionsbericht vorliegen.«
    »Sagen Sie nichts - die Gerichtsmedizin ist unterbesetzt, hab ich Recht?«
    Caudwell musterte das hölzerne Kreuz, das Liz in eine kleine Plastiktüte geschoben hatte. »Was steht denn drauf?«, fragte Cooper.
    »›Sergeant Dick Abbott. 24. August 1926 bis 7. Januar 1945.‹«
    »Abbott? Das war der Heckschütze. Tail-end Charlie.«
    »Da steht noch etwas«, sagte Caudwell. »Was das heißen soll, weiß ich nicht...«
    Cooper wartete und dachte an Dick Abbott. Den Zeitungsberichten zufolge war die Leiche des Heckschützen schwer verstümmelt gewesen. Laut Walter Rowland hatten die Rettungsmannschaften Stunden gebraucht, um sämtliche Leichenteile einzusammeln. Der einzige Trost in Sergeant Abbotts Fall war vielleicht der, dass er möglicherweise nicht mitbekommen hatte, was mit ihm geschah. Von seinem Heckturm aus konnte er den Irontongue Hill nicht gesehen haben. Vielleicht hatte er noch kurz die entsetzten Stimmen über den Bordfunk gehört, als Nächstes musste er den Aufprall

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