Kaltes Grab
Zunge lag - dass er in ihren Augen von Alison Morrissey nur ausgenutzt wurde und am Ende wie der Dumme dastehen würde. So etwas würde er sich von ihr niemals sagen lassen.
Fry konnte sich den Ausdruck peinlich berührter Ungläubigkeit auf seinem Gesicht nur zu gut vorstellen, das spöttische Lachen bei der Vorstellung, dass sie sich tatsächlich Sorgen um ihn machte.
Frys Blick fiel auf die Akte Marie Tennent auf Coopers Schreibtisch, in der noch immer der Autopsiebericht fehlte. Sie beschloss, auf der Stelle Mrs Van Doon anzurufen. Wenn niemand Druck machte, mussten sie vielleicht noch Tage auf den Bericht warten.
»Bin gerade fertig damit«, sagte die Gerichtsmedizinerin. »Ihr Timing ist bewundernswert.«
»Vorläufige Ergebnisse?«
»Die Todesursache war Unterkühlung und Erschöpfung. Also wohl keine große Überraschung.«
»Irgendwelche zusätzlichen Faktoren? Verletzungen?«
»Erfrierungen an den Extremitäten - Füße, Hände, Partien des Gesichts. Und jetzt kommt das, was Sie wahrscheinlich nicht hören möchten...«
»Sagen Sie es mir ruhig. Ich schaff das schon.«
»An mehreren Stellen haben wir Blutergüsse und kleinere Hautabschürfungen festgestellt.«
»Wo?«
»Im Brustbereich und am Unterleib, darunter zwei angebrochene Rippen und mehrere Leberrisse. Quetschungen an Ober- und Unterarmen. Und ein ausgedehnter Bluterguss an der Schläfe, in der Nähe des linken Ohrs.«
»Können diese Verletzungen von einem Sturz herrühren? Wie bei dem Schneemann?«
»Oh, Ihrer anderen Leiche? Nein, leider nicht. Hier liegt der Fall anders. Die Blutergüsse und Abschürfungen an den Armen lassen darauf schließen, dass sie sich gegen jemanden gewehrt hat. Der Schlag gegen den Kopf muss sehr heftig gewesen sein, ebenso die Verletzungen am Oberkörper, daher die angebrochenen Rippen. Ich kann mir vorstellen, dass sie große Schmerzen hatte.«
»Folglich war sie nicht unbedingt in der Verfassung, im Schnee auf den Irontongue Hill zu marschieren?«
»Nein, absolut nicht«, erwiderte die Gerichtsmedizinerin. »Sie war ohnehin geschwächt. Was den allgemeinen Gesundheitszustand angeht, müssen Sie die Ergebnisse sämtlicher Tests abwarten. Aber ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dass sie ordentlich ernährt war, obwohl sie seit mehreren Stunden nichts mehr gegessen hatte. Kein Anzeichen für eine Krankheit. Eine Geburt, nicht länger als zwei Monate her. Wahrscheinlich nicht die Erste. Aber auch das bringt uns nicht viel Neues, oder?«
»Nicht unbedingt.«
»Ich habe die Zeitungsberichte gelesen. Suchen Sie immer noch nach dem Baby?«
»Ja.«
»Tragisch. Vermutlich wieder ein Versagen der Mediziner. Ich bekomme alle ihre Fehler hier auf meinen Tisch.«
»Wir wollen keine voreiligen Schlüsse ziehen«, sagte Fry vorsichtig.
»Nein. Tut mir Leid. Es war ein langer Tag. Eine lange Woche.«
»Erzählen Sie mir nichts.«
»Möchten Sie sonst noch etwas wissen?«
»Ja. Wie sieht es mit dem zeitlichen Rahmen aus? Wann wurden ihr die Verletzungen zugefügt? Wie lange vor ihrem Tod?«
»Ach ja, genau. Dem Zustand der Blutergüsse nach zu schließen, schätze ich, dass sie die Verletzungen mindestens sechsunddreißig Stunden vor ihrem Tod erlitten hat. Wir haben einige frische innere Blutungen festgestellt, die vermutlich auf den übermäßigen Druck auf die Leber und die Verletzungen im Brustbereich zurückzuführen sind. Sie muss starke Schmerzen gehabt haben.«
»Vielleicht hat sie sich ja hingesetzt, um zu verschnaufen«, meinte Fry, »und ist sogar vor Schmerzen ohnmächtig geworden?«
»Das wäre möglich.« Die Gerichtsmedizinerin schwieg einen Augenblick lang. »Natürlich kann ich den Todeszeitpunkt ebenfalls nur schätzen. In jedem Fall ist sie nicht schnell gestorben. Im Gegenteil, ihr Sterben muss sich längere Zeit hingezogen haben.«
Fry wollte lieber nicht zu ausführlich darüber nachdenken. Aber sie hatte noch eine letzte Frage an Mrs Van Doon.
»Könnte sie sich die Verletzungen selbst beigebracht haben?«
»Auf keinen Fall.«
Anschließend rief Fry bei Mrs Tennent an, die inzwischen wieder zu Hause in Falkirk war. Mrs Tennent war erstaunt über die Frage.
»Ja, selbstverständlich«, sagte sie. »Dick Abbott war der Vater meines ersten Ehemannes. Früher, als Mary noch jünger war, sind wir jedes Jahr nach Derbyshire gefahren, um eine Mohnblume dort hinzulegen, aber nach der Scheidung haben wir damit aufgehört. Ich hatte keine Ahnung, dass Marie immer noch das Bedürfnis hatte,
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