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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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gebeten und schließlich den Termin für das Treffen verabredet. Obwohl der Chief Superintendent noch nie persönlich mit Baine gesprochen hatte, ging ihm dessen Beharrlichkeit, von der ihm seine Mitarbeiter berichtet hatten, allmählich auf die Nerven.
    Die vier trafen sich im Büro des Chief Superintendent, wo die Sekretärin hin- und herhuschte, Cappuccino servierte und allen Anwesenden von den Bakewell-Cremetörtchen anbot, die Jepson sämtlichen Besuchern auftischte, um seine Verbundenheit mit Derbyshire zu demonstrieren. Cooper konnte sich nicht erinnern, in der West Street schon einmal richtigen Kaffee getrunken zu haben. Er hatte gehört, dass sogar die Leute bei der Anzeigenaufnahme in der neuen Zentrale der Division B dieses Zeug angeboten bekamen, aber das glaubte er erst, wenn er es mit eigenen Augen gesehen hatte.
    Die Unterredung begann mit einigen halbherzigen Nettigkeiten über das Wohlergehen von Miss Morrisseys Onkel, seine Familie, seinen Hund und sein Golf-Handicap. Dann ging dem Chief Superintendent der Gesprächsstoff aus, und er sah seine Besucher schweigend an – eine alte Verhörtechnik, in die er aus reiner Gewohnheit verfiel, ein Erbe seiner längst vergangenen Tage bei der Kriminalpolizei. Aber es funktionierte. Alison Morrissey fing sofort an zu reden.
    »Wie Sie wissen, meine Herren, habe ich um diese Zusammenkunft gebeten, weil ich die Schmach auf dem Namen meines Großvaters, Daniel McTeague, der bei der kanadischen Luftwaffe als Offizier gedient hat, tilgen möchte. Er wurde im Januar 1945 als vermisst gemeldet, zu einer Zeit, als er der britischen Luftwaffe zugeteilt war.«
    »Und das ist inzwischen siebenundfünfzig Jahre her«, sagte Chief Superintendent Jepson freundlich lächelnd, obwohl er damit von Anfang an seinen Standpunkt deutlich machte.
    »Zufällig weiß ich, dass Ihre Kollegen von der Polizei in Manchester vergangenes Jahr einen Fall noch einmal aufgerollt haben, der bereits fünfundsiebzig Jahre zurücklag«, konterte Morrissey und sah ihrem Gegenüber direkt in die Augen. »Wenn ein Justizirrtum vorliegt, scheint es keine Rolle zu spielen, wie lange etwas her ist.«
    Cooper warf ihr über die Akten hinweg, in die er sich scheinbar vertieft hatte, einen kurzen Blick zu. Er hatte nicht erwartet, dass sie so jung war. Natürlich hätte er sich ihr ungefähres Alter ausrechnen können, wenn es ihn interessiert hätte, schließlich wusste er, dass sie gekommen war, um über ihren Großvater zu sprechen. In den Akten war vermerkt, dass Fliegerleutnant McTeague zu dem Zeitpunkt, als er als vermisst gemeldet wurde, dreiundzwanzig Jahre alt gewesen war. Seine Tochter, Alison Morrisseys Mutter, war erst wenige Tage vor seinem Verschwinden zur Welt gekommen, folglich musste sie heute siebenundfünfzig sein. Offenbar gehörte sie zu jenen Frauen, die erst in den Dreißigern Mutter wurden, denn Morrissey konnte kaum älter als fünfundzwanzig oder sechsundzwanzig sein. Cooper gefiel die Art, wie sie dem Chief Superintendent geantwortet hatte. Sie war sehr zielstrebig. Und sie war gut vorbereitet.
    »Es hat nie eine Gerichtsverhandlung gegeben«, rief ihr Jepson in Erinnerung. »Die Justiz wurde zu keinem Zeitpunkt eingeschaltet.«
    »Die offizielle Justiz«, erklärte Morrissey.
    Der Chief Superintendent seufzte leise. »Fahren Sie fort.«
    »Mein Großvater war als Pilot eines Lancaster-Bombers bei der Royal Air Force in Leadenhall in Nottinghamshire stationiert, als Angehöriger der 223. Staffel des Bomberkommandos. Damals war er bereits zwei Jahre in der RAF geflogen und konnte eine hervorragende Beurteilung vorweisen. Nachdem er eine beschädigte Wellington nach einem erfolgreichen Einsatz gegen eine deutsche U-Boot-Basis in der Nähe von Rotterdam heil zurückgebracht hatte, wurde ihm eine Medaille erster Klasse verliehen, das Distinguished Flying Cross. Er hatte seiner Mannschaft befohlen auszusteigen, sobald sie über englischem Boden waren, ehe er die Maschine eigenhändig gelandet hatte. Und das, obwohl er selbst von einem Granatsplitter der feindlichen Luftabwehr verwundet worden war. Sobald er wieder gesund war, hat er sich für die Lancasters ausbilden lassen und wurde zur RAF nach Leadenhall versetzt.«
    »Sehr interessant«, sagte Jepson. »Aber könnten wir zum Januar 1945 kommen?«
    »Ich möchte Ihnen klar machen, was für ein Mensch mein Großvater war«, antwortete Morrissey.
    Cooper sah, dass sich ihre Augen beim Sprechen einen Moment lang zornig verengten.

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