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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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hatten.
    Er tätschelte ihren Handrücken, beugte sich vor und küsste sie. Ihre Wange war kalt, wie das Gesicht einer Statue. Er hörte, wie sie in einem langen Seufzer ausatmete, und spürte, dass sie sich ein bisschen entspannte. Mehr Reaktion durfte er nicht erwarten.
    Einen kurzen Moment erwog Cooper, seine Entscheidung rückgängig zu machen. Aber spielte es überhaupt eine Rolle für seine Mutter? Ihr war es doch ohnehin egal, wo er wohnte, nun da sie im Pflegeheim war und wahrscheinlich nie wieder auf die Bridge End Farm zurückkehrte. Er musste gegen seinen eigenen inneren Widerstand ankämpfen, das Gefühl, sich von einem großen Teil seines Lebens zu trennen.
    Er hatte versprochen, seine Mutter jeden Tag im Pflegeheim zu besuchen, und bis jetzt hatte er das auch getan. Das hieß, dass er ihr jeden Tag von seiner Entscheidung berichten konnte, bis sie es beide glaubten.
    An diesem Morgen war Cooper zu früh für die Post von der Farm losgefahren, da das Postauto gewöhnlich erst gegen neun nach Bridge End hinauskam. Deshalb warteten die Immobilienangebote auf ihn, als er abends heimkam. Alle wussten, was in dem Umschlag war. Er hatte seiner Familie von seinen Auszugsplänen erzählt, aber jetzt sah er ihren Gesichtern deutlich an, dass sie ihm nicht geglaubt hatte. Josie, eine seiner Nichten, reichte ihm den Umschlag wortlos, aber mit vorwurfsvollem Blick. Sie sah aus, als wollte sie gleich in Tränen ausbrechen.
    »Irgendwas Interessantes?«, erkundigte sich Matt, der zusah, wie sein Bruder den Umschlag aufriss.
    Cooper erkannte auf einen Blick, dass nichts Passendes dabei war. Das Einzige, was die Makler anboten, waren ein paar Doppelhäuser mit vier Zimmern in Buxton und eine möblierte Wohnung in Chapel-en-le-Frith. Abgesehen davon, dass alles zu weit weg war, überstiegen die Mieten das, was er sich leisten konnte. Aber seiner Familie zu sagen, dass nichts dabei war, erschien ihm trotzdem wie ein Eingeständnis seines Versagens. Schlimmer noch – damit würde er die Erwartung schüren, dass er wahrscheinlich nie etwas finden und auf der Farm bleiben würde. Und wenn das der Fall war, würde er selbst nur allzu gern daran glauben, womit die Sache erledigt wäre. Er würde bis zur Pensionierung hier wohnen, oder bis Matt beschloss, die Farm zu verkaufen, was für sich allein genommen schon eine Katastrophe wäre.
    Er sah Matt an. Er wusste nicht genau, was sein Bruder von seiner Idee hielt. Es war ein großer Schritt, so viel stand fest. Aber hatten damit nicht Matt, Kate und die Mädchen mehr Platz? Sogar beim Immobilienmakler war es ihm peinlich gewesen, seinen Entschluss auszusprechen. Er war fast dreißig – nicht unbedingt das Alter, in dem man verkündete, dass man zum ersten Mal von zu Hause wegzog. Er stellte sich die misstrauischen Blicke vor, die wilden Gerüchte hinsichtlich seiner Beziehung zu seiner Mutter.
    »Vielleicht schaue ich mir morgen die eine oder andere Wohnung mal an«, sagte er.
    Er konnte nur hoffen. Morgen konnte alles schon ganz anders aussehen.
    Nachdem alle gegangen waren, blieb Diane Fry noch eine Weile im Büro. Eine Nachtschicht gab es praktisch nicht, im Polizeirevier wurde es so still wie im Leichenschauhaus. Diese Zeit mochte sie am liebsten, wenn niemand sie ablenkte, wenn sie einen Gedanken zu Ende denken konnte, ohne von singenden Hummern oder – schlimmer noch – von ihren Kollegen unterbrochen zu werden. Andauernd wollte jemand etwas von ihr.
    Sie zog einen Umschlag aus einer abgeschlossenen Schublade ihres Schreibtischs, auf dem Ben Coopers Name stand und in dem sich Kopien seiner Personalakten befanden. Sie wusste, wann er hier in Derbyshire in den Polizeidienst eingetreten war, welche Bewertungen er im Lauf seiner Ausbildung erhalten hatte und wo seine erste Einsatzstelle gewesen war. Sie kannte das Datum seiner Versetzung zur Kripo, außerdem verfügte sie über mehrere Zeugnisse seiner Vorgesetzten sowie eine besondere Stellungnahme des Dienststellenleiters zum Tod seines Vaters Joe Cooper, der in Ausübung seiner Pflicht als Polizist gestorben war. Ben hatte damals Trauerurlaub und professionelle Betreuung bekommen. Ein Vermerk besagte: »Keine längerfristigen Probleme.«
    Auch die ausnahmslos guten Prüfungsergebnisse seiner Bewerbung für die Beförderung zum Sergeant waren darunter, ebenso wie das Ergebnis der mündlichen Prüfung, in der er seine Bewerbung zurückgezogen hatte. Daraufhin hatte Fry die Stelle bekommen. Ließ sich Coopers verändertes

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