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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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Abgesehen von ihrem Alter hatte er vor allem nicht damit gerechnet, dass sie so attraktiv war. Sie verfügte über den Stil und das Selbstbewusstsein, das eine Frau aus der Masse herausragen ließ. Ihre Zuversicht und ihr Stolz gefielen ihm, und er wunderte sich, warum Jepson nicht sanfter mit ihr umging, denn für gewöhnlich hatte auch er eine Schwäche für attraktive junge Frauen. Doch der Chief hatte sein Herz offenbar abgeschottet, und wenn das passierte, wich er keinen Zentimeter von seinem Standpunkt ab. Das Ergebnis dieser Besprechung war bereits beschlossene Sache. Schon jetzt hatte Cooper Mitleid mit der Frau. Jepson würde sich alles anhören, was sie zu sagen hatte, am Ende würde sie unweigerlich enttäuscht werden.
    »Hier ist ein Foto von meinem Großvater«, sagte Morrissey und schob erst dem Chief Superintendent ein Bild über den Tisch zu, dann Cooper ein zweites. Bis auf einen kurzen Blick bei der Begrüßung hatte sie ihn bisher kaum angesehen. Cooper hatte den Eindruck, dass sie genau wusste, was sie wollte, und wer ihr dabei am besten helfen konnte. Sofort richtete sie den Blick wieder auf den Chief Superintendent.
    »Die Aufnahme wurde gemacht, als er zum Fliegerleutnant befördert wurde, nachdem er sich der 223. Staffel angeschlossen hatte«, erklärte sie. »Wegen seiner Dienstjahre war er ein oder zwei Jahre älter als die meisten anderen Besatzungsmitglieder. Deshalb nannten ihn alle ›Opa‹.«
    Dem NO war es nicht gelungen, dieses Foto für die Akte aufzutreiben, obwohl es bestimmt ziemlich leicht zu beschaffen gewesen wäre, da es sich um eine offizielle Aufnahme der britischen Luftwaffe handelte. Entweder war Morrissey aktiver gewesen, oder aber sie hatte die besseren Beziehungen. Cooper sah zu Frank Baine hinüber, während ihm wieder einfiel, dass er ihn in einer Fernsehsendung über den sechzigsten Jahrestag der Schlacht um England gesehen hatte. Das Einzige, was Cooper von diesem Bericht in Erinnerung behalten hatte, war, dass einige der Lancaster-Bomber, die die RAF im Zweiten Weltkrieg eingesetzt hatte, in einem Werk in Bamford gebaut worden waren, das nur wenige Kilometer von Edendale entfernt lag. Selbstverständlich existierte das Werk schon lange nicht mehr, ebenso wenig wie die Bomber, die man dort zusammengeschraubt hatte. In der Sendung hatte eine Frau erzählt, wie sie als junges Mädchen in der Flugzeugfabrik gearbeitet hatte und dass ihr ein wichtigtuerischer Vorarbeiter erklärt habe, dass sie, wenn sie auch den kleinsten Fehler machte, schuld daran sei, wenn die Deutschen den Krieg gewannen.
    »Bitte sehen Sie sich das Foto genau an«, bat Morrissey, »dann müsste Ihnen eigentlich klar werden, wie stolz mein Großvater auf diese Uniform war.«
    Fliegerleutnant McTeague sah in seiner RAF-Uniform aus wie aus dem Ei gepellt: mit der Schirmmütze, den nagelneuen Streifen am Ärmel und der Medaille am Band, die an seine Brusttasche geheftet war. Die angelegten Arme wirkten, als würde er strammstehen. Sein Schlips saß perfekt, die Bügelfalten waren messerscharf. Die Uniform war natürlich blau gewesen, nur das Foto war schwarzweiß. Möglicherweise war der ursprüngliche Abzug sepiafarben gewesen, während dieser hier wie eine am Computer vergrößerte Kopie aussah. McTeagues Gesicht war gut zu erkennen: schmaler, dunkler Schnurrbart, stolzes Lächeln und klare Augen, die direkt in die Kamera blickten. Ein gut aussehender Mann, nach dem sich so manches Mädchen umgedreht haben musste. Und in seinem Blick lag eindeutig eine gewisse Ähnlichkeit mit seiner Enkelin.
    »Wie Sie sehen, trägt er sein Distinguished Flying Cross«, ergänzte Morrissey.
    Jepson legte den Abzug auf seine Akte. »Januar 1945«, sagte er.
    Morrissey nickte. »Am 7. Januar 1945 saß mein Großvater im Cockpit des Lancaster-Bombers SU-V«, sagte sie. »Bei der Besatzung hieß das Flugzeug Sugar Uncle Victor.«
    An dieser Stelle sprang Frank Baine ein, der Fachmann. Sein Schädel war rasiert, eine Mode, die das Quer-über-den-Kopf-Kämmen zur Kaschierung früh einsetzender Glatzenbildung abgelöst hatte. Sobald er anfing zu sprechen, war Cooper klar, weshalb Alison Morrissey ihn mitgebracht hatte. Baine brauchte kaum auf seine Notizen zurückzugreifen, um darzulegen, was sich am 7. Januar 1945 zugetragen hatte. Jedenfalls die bislang bekannten Tatsachen.
    »Die Lancaster SU-V war nach dem Angriff eines deutschen Nachtjägers während eines Luftangriffs auf Berlin am äußeren Steuerbordflügel

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