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Kaltes Grab

Titel: Kaltes Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Booth
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beschädigt worden«, erklärte er. »Man hatte das Triebwerk ausgetauscht, und die Besatzung war auf einem Testflug mit dem neuen Triebwerk unterwegs. Es war ein reiner Routineflug – sie sollten von der Basis Leadenhall in Nottinghamshire zum Militärflugplatz Benson in Lancashire fliegen. Die Entfernung betrug höchstens 100 Meilen. Die Besatzung hatte schon mehrere Einsätze über Deutschland geflogen und war jedes Mal unversehrt zurückgekehrt. Aber über Derbyshire ging irgendetwas schief. Die SU-V prallte gegen den Irontongue Hill, ungefähr zehn Meilen von hier. Bei dem Absturz starben fünf der sieben Besatzungsmitglieder.«
    Cooper hatte die Liste der Besatzungsmitglieder vor sich liegen. Sieben Namen, von denen er bislang nur einen kannte – den des Piloten, Daniel McTeague. »Moment«, sagte er. »Wer von der Besatzung wurde getötet?«
    »Erstens der Funker, Sergeant Harry Gregory«, antwortete Baine.
    Cooper machte ein kleines Kreuz hinter den Namen.
    »Dann der Bombenschütze, Bill Mee, der mittlere Bordschütze, Alee Hamilton, und der Heckschütze, Dick Abbott, allesamt Sergeanten der britischen Luftwaffe.«
    »Und wer noch?«
    »Einer von den Polen«, sagte Baine. »Der Navigator, Fliegerleutnant Klemens Wach.«
    »Bleibt ein weiterer Überlebender außer McTeague«, stellte Cooper fest.
    »Genau.«
    »Das müsste der Bordingenieur sein. Ich weiß nicht genau, wie man den Namen ausspricht …«
    »Lukasz«, sagte Baine. »Wie Gulasch. Der zweite Überlebende war Fliegerleutnant Zygmunt Lukasz.«
    Grace Lukasz hatte erfreut bemerkt, dass Zygmunt kein besonderes Interesse mehr daran zeigte, zum Dom Kombatanta, dem Club der ehemaligen polnischen Kriegsteilnehmer, zu gehen. In letzter Zeit schienen sich die alten Soldaten und Flieger nur noch über Krieg und Tod zu unterhalten, als wären die sechzig Jahre ihres Lebens seit 1945 zu einem vierzehntägigen Heimaturlaub zusammengeschnurrt. Einmal hatte sie gehört, wie ein ehemaliger Fallschirmjäger, der zu viel Wodka getrunken hatte, verkündete, dass er sich nie wieder so lebendig gefühlt hätte wie damals im Angesicht des Todes. Und jetzt wiederholte sich das Ganze – die alten Soldaten machten sich bereit für ihren letzten Flug, die letzte Reise ins Unbekannte, nur dass sie diesmal ein Leichenwagen ans Ziel bringen würde.
    Früher hatten sich Zygmunt und seine Freunde für die britische Politik interessiert. Sie hatten endlos über die ihrer Meinung nach unglaubliche Gleichgültigkeit der Briten diskutiert, die sich kaum aufraffen konnten, zur Wahlurne zu gehen, geschweige denn, ihren Politikern zuzuhören.
    »Seit Winston Churchill sind sie nicht mehr die Alten«, hatte Zygmunt einmal gesagt.
    »Dad, das ist sechzig Jahre her«, hatte Peter erwidert.
    »Das meine ich ja«, sagte Zygmunt. »Seither ist es mit ihnen bergab gegangen.«
    Aber das war zu der Zeit, als er noch Englisch sprechen konnte.
    Der alte Mann besaß eine besondere Begabung, Grace spüren zu lassen, dass sie eine Fremde war. Es war ein unangenehmes Gefühl, an das sie sich seit der Hochzeit mit Peter nie ganz gewöhnt hatte. Davor hatte sie Woodward geheißen und ihre Zugehörigkeit niemals in Frage gestellt, sondern sich ganz selbstverständlich als Britin betrachtet. Doch eines Tages war sie plötzlich Mrs Lukasz, und die Leute behandelten sie anders, als wäre sie noch einmal als Fremde auf die Welt gekommen. Sogar Menschen, die sie ihr Leben lang kannte, mit denen sie zur Schule gegangen war, schienen zu glauben, sie hätte die englische Sprache über Nacht verlernt.
    Und dann, nach dem Unfall vor sechs Jahren, war Grace mit einem Mal froh gewesen, sich als Fremde zu fühlen. Wenn sie jetzt in ein Geschäft kam und die Unterhaltung plötzlich verstummte, konnte sie sich einreden, es läge daran, dass sie nur ihren Nachnamen gehört hatten und sie für eine osteuropäische Asylantin hielten. Inzwischen wohnten eine Menge Asylanten in den Ferienhäusern an der Buxton Road.
    Erst kürzlich hatte Grace in der Zeitung gelesen, dass einige Grüppchen osteuropäischer Frauen und Kinder in den umliegenden Ortschaften aufgetaucht seien, und während die Frauen sich nach dem Weg erkundigt und die Ladenbesitzer abgelenkt hätten, hätten die Kinder die Regale leer geräumt. Sie zweifelte nicht daran, dass diese Geschichte stimmte. Die meisten dieser Leute waren sowieso Zigeuner, und Edendale hatte jahrelang mehr als genug Probleme mit Zigeunern gehabt. Einmal hatte eine Sippe ihre

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