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Kaltes Herz

Kaltes Herz

Titel: Kaltes Herz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Freise
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sein, so hatten meine Eltern beschlossen.
    Ida las vor, wie das Mädchen neu eingekleidet wird und sich auf die Reise freut, auf die Feste, zu denen sie geladen werden, auf die Eisenbahnfahrten, die großen Städte und eleganten Gesellschaften, und Henriette stellte sich vor, wie es sein müsste, monatelang auf Reisen, immer Neues sehen, immer neue Menschen. Wenn Charlie sie holen kam, dann wollte sie mit ihm reisen und all die Dinge erleben, die die Heldin in Idas Buch erlebte.
    Doch das Glück der Aufregung und des Neuen währte nur kurz, denn ich sehnte mich nach etwas Unbegreiflichem und wollte von jedem Ort, den wir erreichten, am liebsten gleich wieder fort. Vielleicht war es die Unruhe des Reisens selbst, die jenes Fieber in mir erweckte, vielleicht war es mein Alter, das meinen Fehlern aus Kindertagen neue, schwerwiegendere hinzufügte, Fehler, deren Verwerflichkeit ich erahnte und deren Süße ich nicht zu widerstehen in der Lage war, denn auf unserer Reise wurde ich außerordentlich wollüstig.
    «Ida!», entfuhr es Henriette.
    Ihr Herz hatte schon unangenehm heftig zu schlagen begonnen, als Ida von der unbegreiflichen Sehnsucht las, sie erinnerte sich an den Regentag, als sie von Professor Altheim fortgelaufen war, angetrieben von etwas ähnlich Drängendem und Unbeschreiblichem. Aber sie hätte es nicht gewagt, es mit einem Wort wie «Wollust» zu umschreiben. Das Wort trieb ihr das Blut in den Kopf, ihre Wangen brannten.
    Ida ließ sich nicht beirren und fuhr fort.
    Ich wusste nicht, weshalb mir so geschah, ich ahnte kaum, was ich tat – doch genug, kaum war ich allein mit mir, musste ich mir Linderung verschaffen. Ich zog mich aus, betastete meinen Leib, liebkoste meinen Busen, die Schenkel, spielte mit den Haaren, die bereits das Heiligtum der Liebe umschatteten, erkundete seinen Eingang. Er erschien mir verletzlich, sodass ich es nicht wagte, tiefer vorzudringen.
    Ida blickte mit leuchtenden Augen und roten Wangen auf.
    Henriette rauschte das Blut so laut in den Ohren, dass sie kaum verstand, was Ida sagte.
    «Jetzt weißt du, warum ich es verstecken muss. Pass auf, jetzt wird es erst spannend.»
    Henriette wollte Ida aus ihrem Bett werfen, wollte, dass sie aufhörte – und sie wollte wissen, wie es weiterging. Sie ahnte, dass hier der Schlüssel zu einem Geheimnis lag, das ihr ganzes Leben verändern würde. Und diesmal würde sie nicht davonlaufen.
    «Lies weiter», sagte sie rau.
    Zugleich fühlte ich gerade dort ein verzehrendes Feuer, und mit Entzücken brachte ich es dazu, höher und immer höher zu lodern, indem ich mich an allerlei Gegenständen rieb, an Bettpfosten, dem Griff meiner Haarbürste, an meinen eigenen Händen, bis ich zusammenbrach.
    Das Feuer war gelindert, mein Leib wurde ruhig, und doch wusste ich, es würde nicht lange dauern, bis diese Unruhe wiederkehrte, bis die Hitze mich erneut dazu trieb, all meine Kleider von mir zu werfen. Es konnte so nicht weitergehen, meine neue Gewohnheit raubte mir jede Konzentration, ließ mich kaum an etwas anderes noch denken und machte mich schwach und schwermütig.
    «Das heißt, es ist gefährlich, sich dem Feuer zu überlassen?», fragte Henriette.
    «Warte», sagte Ida, «das erfährst du schon noch.»
    Sie las weiter.
    Eines Abends in London waren mein Lehrer und ich zu einer Gesellschaft geladen. Mein Lehrer führte mich in den Tanzsaal und wachte wie gewohnt über mich. Ich tanzte, sammelte artige Komplimente, doch ich war nicht bei der Sache, mein Sinn stand danach, allein zu sein, allein mit meinen neuen Leidenschaften.
    Als ich mich nach meinem Lehrer umsah, um ihn zum Aufbruch zu drängen, sah ich gerade noch seinen Rücken zwischen zwei Vorhängen verschwinden. Wohin?, dachte ich und folgte ihm nach. Wie konnte er mich einfach allein unter all den fremden Menschen lassen, wenn ich doch zu gehen wünschte?
    Seine Schritte waren eilig, beinahe rannte er, im Laufen öffnete er das Tuch um seinen Hals, dann blickte er sich wachsam um, und es mag diese Andeutung eines Geheimnisses gewesen sein, die mir gebot, statt nach ihm zu rufen, mich besser nicht sehen oder hören zu lassen. So folgte ich ihm einige Treppen hinauf und in einen finsteren Gang, er entschwand durch eine Tür, die er hinter sich zuwarf, doch in seiner Eile nicht gründlich genug, sodass sie nicht ins Schloss fiel, sondern bloß angelehnt blieb.
    Ich schlich näher und konnte eben durch die Öffnung einen Tisch erkennen und links einen großen Spiegel, neben dem zwei

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