Kaltgeschminkt (German Edition)
irgendwelche besonderen Aufträge. Später habe ich erfahren, dass er zu alt für das Geschäft war, dass er mit dem Besucher und noch ein paar Typen machte, schon lange vor meiner Ausbildung. Und die wollten Ersatz , sagte der Fremde. Wörtlich, Alter, er wollte Ersatz.«
Ich verziehe keine Miene. Was geht es mich an. Mit jedem Wimpernschlag zähle ich kleine Keltensteine am Wegrand. Am liebsten rede ich mir ein, es seien winzige Seelentöpfe, Urnen der alten Kelten. James starrt jetzt angespannt auf die Straße. Er redet einfach weiter. »Miller meinte dann, wörtlich, meine ich, `Dann nehmen Sie den Jungen dafür. Der ist so gut wie fertig und ich kann ihn danach nicht mehr brauchen.´ Von wegen, eine volle Kraft wäre nicht nötig und er hätte ohnehin nicht die Kohle, eine zu bezahlen. Ha! Der knausrige alte Sack. Oder? Ich hab’ mich natürlich sofort zurückgezogen, so getan, als würde ich die Chemikalien ordnen. Innerlich wollte ich weglaufen, aber welcher Kerl tut das schon?« Er grinst gequält. Ich sehe ihn an und denke: Ich. Ich tue das. Wenn ich kann und wenn ich muss. Außer, ich spinne einen theoretisch außerordentlich tödlichen Plan gegen mich selbst. Dann bleibe ich auch gerne noch ein wenig.
»Kein Mann tut das, richtig?«, fährt James fort. »Also bin ich geblieben und habe gewartet, wer da mit meinem Lehrmeister herauskommt. Sie schlugen ein und ich hörte ein Kratzen, wie wenn jemand mit einem dieser alten Federhalter ’ne Tischplatte malträtieren würde. Dann kamen Schritte in meine Richtung. Ich schaute unauffällig hinter mich, aber da war niemand. Und dann kam Mr. Miller. Kein anderer Mensch kam da mit ihm aus dem verdammten Nebenraum.« Er schnieft und sieht mir nervös in meine ruhigen, halb geschlossenen Augen. »Abgefahren, oder? Jedenfalls, wenige Tage später übergibt mir Miller meine Papiere, Zeugnisse und das alles. Er sagt, ich soll fortgehen und auf ein Schreiben warten von einer Agentur oder so was, deren Name auf einer kleinen Karte steht, die er mir in die Brusttasche steckt. Dann schiebt er mich durch die Tür und knallt sie hinter mir zu. Ich hämmere dagegen, aber er macht nicht wieder auf. Und das war´s dann. Ich lese die Karte, packe und ziehe aus dem Kabuff aus, das er mir während meiner Zeit bei ihm gegeben hat. Bald bekomme ich einen Brief und die Anweisung nach Hamburg zu ziehen, wo ich ein altes Bestattungsinstitut übernehme. Der Alte, der mir die Schlüssel überreicht hat, ist inzwischen tot. Herzinfarkt, nichts Spektakuläres. Und was sagst du?«
Ich sehe ihn noch immer schläfrig an. »Du hast das erzählende Präteritum gewechselt.«
James schlägt hart auf das Lenkrad. »Verdammt, McLiod! Kapierst du´s noch? Ich erzähle hier keine Friseurgeschichten zu deiner Unterhaltung! Du tust besser daran, dir das genau zu merken, was ich dir sage. Das ist kein Kindergartenausflug.«
Erschrocken rücke ich ein wenig von ihm ab. Die Hälfte seiner Geschichte habe ich schon wieder vergessen, weil sie schließlich nicht das Geringste mit mir zu tun hat. Ich nicke ruckartig und ermahne mich selbst, ein wenig kooperativer zu sein. Schließlich will ich später nicht auf eigene Kosten durch die halbe Welt wieder zurück in mein Heim gondeln.
»Gut.«
Er scheint besänftigt, schenkt mir sogar ein Lächeln. »Meine Arbeit läuft gut. Sehr gut. Wir bekommen Aufträge von einem … Unternehmen … das sich ›Die Drei‹ nennt. Ziemlich feine Pinkel. Arbeiten für die größten Städte oder so. Fast wöchentlich bekommen wir Lieferung von ihnen; reiche, einflussreiche Lieferung. Und jedes Mal, mein Freund, jedes Mal sind sie eines gewaltsamen Todes gestorben.«
Ich stutze. Wie meine Leichen. Auch von ihnen ist kaum eine mit friedlich verzerrtem Gesicht dabei. Es gibt schon Zufälle. »Fast so, als wäre ihre Uhr abgelaufen und sie müssten einen anderen, vielleicht höheren Zweck erfüllen«, sinniere ich vor mich hin. James reagiert kaum.
»Fast. Definitiv ist ihre Eieruhr bei Null angekommen, soviel steht fest. Der Bote ist immer ein dünner Kerl, ziemlich groß und kaum zu erkennen.«
»Ist er verkleidet? Oder verkrüppelt?«
»Nicht direkt. Er treibt sich in den Schatten herum, liefert meist bei Nacht. Tagsüber trägt er eine Maske. Keine von den lustigen oder ekligen Dingern aus dem Spielzeugladen. So ein SM-Ding. Aus Leder mit dünnen Ketten vor der Mundöffnung. Sehr kranker Typ. Er steckt einen Zettel dazu, auf dem steht, wer die Person war und was sie
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