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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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… falsch gemacht hat.«
    »Hattest du Angst?«
    »Anfangs hab ich mir die Hosen vollgekackt. Aber nach ein paar Aufträgen ging es ganz gut.«
    »Wie sind sie denn gestorben, die Toten?«
    »Auf die unterschiedlichsten Arten, die du dir vorstellen kannst. Manchmal auch nicht …« Er lächelt verschwörerisch und nicht zum ersten Mal hege ich den Verdacht, dass er absolut verrückt ist. »Keine schöne Sache, aber es sind auch ein paar Giftopfer dabei oder Erstickungsopfer. Das geht gut. Flicken kann ich sie alle wieder, so abgefahren ist es nun auch wieder nicht.«
    »Flicken? Hast du eine besondere Ausbildung dafür?«
    Er schüttelt den Kopf. »Miller hat es mir gezeigt. Er war auch forensischer Anthropologe, früher mal für die Männer von der ›Central Scotland Constabulary‹. Zumindest eine Zeitlang. Keine Sorge, ich kann dir da ein paar nette Kniffe beibringen.«
    Obwohl ich darauf brenne, meinen Genius ein wenig zu erweitern, nicke ich nur knapp als Bestätigung. »Und es sind immer die gleichen Auftraggeber? In welcher Beziehung stehen die Opfer dann zueinander?«, frage ich. Mein Interesse ist beinahe geweckt.
    »In keiner«, seufzt James. »Oder in jeder. Sie sind nicht miteinander verwandt, das ist klar.«
    Er kichert. Ein seltsamer Gedanke manifestiert sich in meinen verworrenen Gehirnwindungen.
    »Das alles klingt als würdest du für die Marionettenspieler der Bürger arbeiten, für die Souffleure der oberen Zehntausend.«
    James klatscht kurz in die Hände.
    »Woher weißt du, dass es die oberen Zehntausend sind, die ich verpacke?«
    »Man hört so einiges.«
    Er streicht sich lachend das Haar zurück. »Sehr dramatisch. Und poetisch. Ich mag deine Art dich mitzuteilen, zu artikulieren, mein Teuerster. Das kommt edel. Los, gib mir was von deinem Stoff.«
    »Nein. Was passiert dann mit den Leichen, wenn du sie präpariert hast?«
    »Sie werden von Mr. Sado-Maso abgeholt. Nachts meistens. Was auch immer danach mit ihnen passiert, ist nicht meine Sache.«
    Da hat er zweifellos Recht. Eine Zeitlang fahren wir schweigend dahin, nehmen den Eurotunnel, in dessen endlosen Schlangenleib ich ein Nickerchen halte. Dann machen wir endlich eine kurze Pause, wo wir uns auf einen kleinen Aussichtshügel zurückziehen und die Vorräte vollends vernichten.
    »Aber du magst Hamburg«, werfe ich ihm einen Brocken hin.
    Er schluckt das Stück. »Die Stadt war mir erst scheißegal. Hab mir schnell ein Hobby gesucht. Ich hatte keine Wahl, klar. Es ist eine wundervolle Stadt, Großbritanniens deutscher Außenposten. Aber ich bin nun mal Schotte. Ich brauche das Klima, die Leute und die endlosen Highlands. Schlägereien im Pub am Freitagabend. Gut, die kann man auch hier anzetteln, aber dann taucht gleich alles an Polizei auf, das sie hier haben. Nur im August am British Day kann man sich etwas zu Hause fühlen.«
    »Was ist das für ein Hobby?«
    Interesse heucheln gehört nicht zu meinem Repertoire an Emotionen. James, der mir den Rücken zugewendet hat, scheint es nicht zu stören. Oder er merkt es nicht. Allerdings darf ich ihn nicht unterschätzen. Ich mache mir zur Sicherheit eine imaginäre Notiz.
    »Ich fotografiere.«
    »Aha, was denn so?«
    »Dinge, die mir gefallen.«
    Welche Überraschung. »Aha.«
    »Ja, cool, oder?«
    »Ziemlich.«
    Wir rauchen fertig und brechen auf. Als ich einsteigen will, hält mich mein Begleiter fest und fragt mich: »Hattest du jemals Kontakt zu ihnen? Hast du mit ihnen gesprochen? Oder sie gesehen?« Seine Stimme klingt ein wenig wackelig, kehlig. Ich zögere versehentlich kurz, aber er legt es als Überraschung aus. Blitzschnell beschließe ich, mich bedeckt zu halten. Schließlich kenne ich ihn kaum und wer weiß schon, ob er zu mir ehrlich war und es weiterhin sein wird? Mein Kopf schüttelt sich von selbst.
    Er nickt knapp. »Okay, gut. Legen wir los, was sagst du?«
    Das schelmische Lächeln breitet sich auf seinem Gesicht aus als er einsteigt und den Motor startet. Ich fühle mich nicht schlecht, tue ich nie. Aber diesmal aus einem ehrlichen Grund. Ich habe nicht direkt gelogen.
    Ein paar Mal versuche ich, ihn auf den Toten anzusprechen, den wir besuchen fahren. Er vertröstet mich jedoch immer auf später. So könne ich mir selbst ein Bild machen, meint er. Seltsamerweise bin ich unruhig. Weswegen ist mir unklar, aber Englands deutscher Außenposten hält einige Überraschungen für mich bereit, da bin ich sicher. Vielleicht ist es auch das Heimweh, das mich plagt, seit wir

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