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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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nach. »Hast du eine davon?«, will er wissen.
    Ich bin verwirrt.
    »Eine?«, frage ich.
    Er blinzelt, dann brüllt er vor Lachen und hämmert auf die Tischplatte ein. Offensichtlich missversteht er mich. »Gut, gut, Alter. Sehr gut. Ich mag dich! Schade, dass wir nur eine Zeit lang zusammen arbeiten.«
    In Gedanken klopfe ich dreimal auf Holz. Er ist in Ordnung, aber man soll ja bekanntlich aufhören, wenn es am Schönsten ist.
    Wir haben uns darauf geeinigt, erst zu packen und in James´ Auto alles Nötige zu besprechen. Eigentlich hat er sich für mich darauf geeinigt, aber mir ist alles Recht, solange ich ihn nicht noch länger mit meinen Vorräten durchfüttern muss und ich so schnell wie möglich wieder hierher zurück kann. Während ich Kleidung und die nötigsten Gerätschaften – will sagen, die etwas Spezielleren – packe, lehnt er rauchend an einem unverschämt gepflegten Einser BMW. Er ist schwarz wie meine Seele und seine Lunge; ich schwöre mir, ihn eines Tages mit hierher zurück zu nehmen. Für mich gibt es kein schöneres Gefährt, keinen edleren Status.
    Vollgepackt stolpere ich aus meinem neuen Heim. Umständlich schließe ich ab und bringe ein Schreiben an, für die Knightleys, die ihr Kind abholen kommen, aber bis dato noch keine Anstalten gemacht haben, zu unserer gesetzten Frist vor zwei Stunden zu erscheinen. Für sie gebe ich den Zweitschlüssel im ›Pen´s Paper‹ ab. Für alle anderen weise ich freundlich auf einen größeren Auftrag im Ausland hin. Das klingt wichtig, ist kaum gelogen und macht mich für künftige Kundschaft attraktiver. Beschäftige Menschen sind begehrter, schließlich will man immer genau den Lolly, den man nicht haben kann.
    Ich straffe die Schultern, zünde mir eine Zigarette mit Pfiff (wie ich es nenne, wenn etwas Gras darin ist) an, und mache mich auf eine lange Fahrt mit noch viel mehr von James suggestivem ›Blabla‹ bereit. James wirft meine Koffer schwungvoll in den Kofferraum. In mir zieht sich alles zusammen, als ich es vernehmlich klirren höre. James scheint nichts zu bemerken oder benutzt meine Methode, es einfach zu ignorieren. Die Box mit den Essensrationen für die Fahrt stellt er sorgfältig hinter den Fahrersitz. Dafür rauche ich genussvoll zu Ende, zeige ihm kindisch meine spezielle Abgestumpftheit gegenüber anderer Leute engem Zeitplan und steige schließlich gemütlich ein, nicht ohne vorher den Mantel sorgfältig auf der Rückbank zu drapieren.
    Ich sehe ihn an und er lächelt.
    »Du eiskalter Hund«, meint er.
    »Man tut was man kann.«
    Wir brausen los. Der verwilderte Wald zwischen mir und dem nächsten Dorf wischt an uns vorbei wie ein nasses Tuch, und im Nu sind wir auf der großen Straße unterwegs in die ungewissen, fremdartigen und mehr als beängstigend wilden Gefilde Deutschlands.
    »Warum Hamburg?«, frage ich meinen Fahrer.
    »Weil ich es mag.«
    »Aha.«
    »Zuerst wollte ich nach Graz. Dort hat Bram Stoker ›Draculas Gast‹ geschrieben.«
    »Stimmt nicht. Es spielt nur dort. Und die untote Gräfin dieses Fragments liegt da begraben.«
    »Du bist wohl ein Fan von Stoker?« Er grinst schief.
    »Manchmal.«
    Wir schweigen eine Weile, James sieht immer wieder zu mir herüber. Hier in dieser Luxuskutsche herrscht ein eigenes Gesetz des Klimas, so dass es trotz des trüben Herbstwetters hier drin angenehm ist. Ich lasse ihm Zeit, lehne mich entspannt zurück in die weichen Sitze mit belüfteter Rückenlehne. Irgendwann wird er schon anfangen zu reden. James räuspert sich. Ich öffne die Augen wieder. Gleich geht es los.
    »Vor ein paar Jahren wurde mir ein Job angeboten. Ein abgefahrener Job. Jedenfalls war er das damals noch für mich.« Er unterbricht sich, sieht mich forschend an. Ich blinzle. Anderer Leute Geschichte hinterherzulaufen ist nicht meine Art. Dafür bin ich nicht interessiert genug. So quatscht er von allein weiter, ob es mich etwas angeht oder nicht. Also höre ich zu. Wohin sollte ich mich auch verziehen.
    »Gerade hatte ich meine Lehre in Millers Bestattungsinstitut absolviert, als ich nebenan jemanden mit Mr. Miller sprechen hörte. Oder besser gesagt, diskutieren. Ich habe niemanden durch die Eingangstür kommen sehen, daher habe ich versucht, so viel wie möglich zu belauschen. Der Fremde sagte dem alten Miller, was ich schon in meiner Lehre seit Ewigkeiten dachte: er ist zu alt für den Job. Für was ihn der Fremde da drinnen allerdings zu alt gehalten hat, konnte ich nicht hören. Scheinbar ging es da um

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