Kaltgeschminkt (German Edition)
Schloss.«
Das ist alles? , denke ich mir.
»Das ist alles?«, frage ich prompt.
»Das ist alles«, bestätigt er. »Ist doch genug für einen Abend, oder? Morgen kannst du dich hier mit ihm abrackern und deine Instrumente hier unterbringen, wenn du willst. Der kleine Schrank dort hinten ist noch fast leer. Was hast du eigentlich alles da drin?«
Ich zucke die Achseln. »Ausziehbare Reisestreckbank, mobile eiserne Mini-Jungfrau, handlicher Morgenstern … das Übliche eben.«
Das mittlerweile vertraute Grinsen erscheint auf seinem Gesicht. Ich mag ihn, ohne es wirklich zu wollen. Er versteht meine schwarze Art, Humor zu zeigen, und hinterfragt mich nicht ständig, wie ich es oft erlebe. Ein Grund, warum ich näheren Kontakt mit allen Lebewesen so gut ich kann vermeide. Früher oder später verletzen sie dich ohnehin und zurück bleiben Enttäuschung und Wut.
Er zwinkert mir aufmunternd zu, beugt sich zu mir herüber, so dass sein kinnlanges Haar meine Wange kitzelt. »Wie wär´s mit Pub? Sorry, Bar – beziehungsweise einer Art Kellerdisco in der Town? Muss nur noch kurz was erledigen. Packst du den Kerl wieder ein und bringst ihn in sein Bettchen? Ich warte oben auf dich.«
Damit dreht er sich auf dem Absatz um und lässt mich im verklingenden Hallen seiner Schritte zurück.
Gewöhnlich gehe ich nicht aus, aber die Nacht ist ohnehin verdorben. Schließlich kann ich auch tagsüber ausschlafen. Ich decke Mr. Secretary ordentlich zu, ohne noch auf ihn und sein abnormes Handicap hinabzusehen, und rolle ihn dorthin zurück, wohin ich mich auch am liebsten verkriechen würde, was aber nicht funktioniert, da ich genau weiß, was mich die nächsten paar Unendlichkeiten erwartet. Die Dunkelheit. Vorsichtig wage ich den Aufstieg über die puppenhauskleinen Stufen, indem ich mich mit beiden Händen an den Wänden abstütze. Das schwache Licht begleitet mich bis ich gegen die ordinär quietschende Tür stoße. Dahinter höre ich schnelle Schritte die Treppe aus dem ersten Stock hinabpoltern. Während ich versuche, mich in dem fremden Haus zu orientieren, steht mir auf einmal James gegenüber, in der Hand einen halb leer gegessenen Teller und schmutziges Besteck. Er reißt überrascht die Augen auf. Ich mustere ihn, was ihn plötzlich nervös zu machen scheint. Ungelenk hantiert er mit dem Geschirr.
»Ich räum’ das mal weg, okay? Bin gleich wieder da? Willst du auch was essen? Hatte so ’nen Kohldampf.«
Ich schüttle den Kopf.
»Nein? Machst wohl Diät, was?“
Er lacht (sogar für seine Verhältnisse) viel zu laut. Mit großen Schritten verschwindet er hinter einer Schiebetür, wo ich die Küche vermute. Ich folge ihm und beobachte, wie er den Geschirrspüler einräumt. Aus einem plötzlichen Anfall von Überlegenheit heraus, genehmige ich mir einen kleinen Angriff. »Sind noch andere Gäste im Haus? Etwa ein feines Treffen unter Fährmännern der Hölle?«
Als er nicht antwortet schiebe ich noch ein wenig nach. »Sehr hungrig scheint er nicht zu sein. Und auch nicht sehr gesellig, wenn er in seiner stillen Kammer isst. Oder bist du etwa ein schlechter Koch?«
Letzteres konnte ich zwar bereits aus erster Hand erfahren, aber verscherzen will ich es mir nicht mit ihm. Noch nicht gleich zumindest. Mein Gastgeber streicht sich das Haar zurück und wendet sich mir zu. Er atmet gepresst und einen Moment befürchte ich, er verpasst mir einen Kinnhaken. In meinem Zustand wäre das sicherlich ein Tropfen auf den heißen Stein, aber ich mag einfach keine Schmerzen. Instinktiv weiche ich zurück, jedoch mit so viel Stil wie ich momentan aufbringen kann. James wirkt mit einem Mal müde. Ein entsetzlicher Gedanke schießt durch mein Hirn. Ich schlage die Hände vor den Mund. »Heilige Axt, wohnt deine Mutter da oben?«
Einen Moment starrt er mich fassungslos an, dann verzieht er einen Mundwinkel zu einem Lächeln. »Du bist echt schräg, McLiod. Glücklicherweise hab ich das mit meiner Mutter hinter mir. Hat mir echt die Kindheit und das meiste meiner Jugend versaut. Bei dir auch, wie´s aussieht. So was kann man nie mehr rückgängig machen. Na komm, wir haben was zu feiern.«
Wir schnappen unsere Mäntel während ich nach dem Grund suche, der eine Feier rechtfertigen könnte. Um nicht noch spießiger als ohnehin zu wirken, halte ich lieber den Mund.
»Zu deiner Information: das Essen war von mir. Ich hatte es nur in meinem Zimmer vergessen.«
Den forschenden Blick kann ich mir sparen, ich glaube ihm ohnehin – und
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