Kaltgeschminkt (German Edition)
verrückt, nein – wie wahnsinnig, anziehen. Nur leider bin ich nicht der Typ Mann, den sie wiederum attraktiv finden. Ich bin, in jeder Hinsicht, viel zu gewöhnlich. Sie hingegen verkörpern eine erweiterte Art der Weiblichkeit. Hautenge Kleider aus fragwürdigen Stoffen, bis zur Atemlosigkeit geschnürte Korsagen, zarte Kettenensembles um die wiegenden Hüften. Nur diese Art der Frau erweckt in mir die Sehnsucht nach einer ›Liebes‹beziehung wenn man so will. Alles andere ist in meinen Augen lediglich so, wie ich in den ihren: gewöhnlich. James´ Ellbogen sticht mir in die Seite und holt mich aus meiner Trance, ehe ich anfange mich zu verlieren. Er nickt in Richtung einer jungen Frau, die sich inzwischen anmutig zu den letzten Takten von ›Ghostdance‹ bewegt. Er hebt eine Hand und winkt ihr zu. Mein Herz setzt einen Moment aus und beginnt erst wieder zu schlagen, als ich bereits nicht mehr damit rechne. Atemlos sehe ich zu, wie sie sich verbindlich lächelnd zu uns durchschlängelt. Sie trägt nahezu nur feines Netz und einen BH aus Lack mit kleinen Reißverschlüssen. Um ihre langen Beine wogt ein transparenter Rock, ebenfalls aus Netz mit einem Lackgürtel unter dem sie lediglich halterlose Strümpfe und ausschließlich ein knappes Spitzenhöschen trägt. In schnulzigen Nackenbeisserromanen sollte ich nun wohl solchen Schrott von mir geben wie, dass man ihren genial geformten Körper wohl eher erahnen könne unter all dem leichten Nichts. Solche Eindrücke gestatte ich mir jedoch nie, und in diesem Fall wäre es auch schlicht gelogen. Hätte ich meine Traumfrau zeichnen sollen, hätte ich es wohl auf die bestmögliche Weise so getan. Es passt einfach alles - lassen wir es dabei, ohne uns in lästigen punktgenauen Beschreibungen zu ergehen. Und zwar auf eine Art und Weise, dass meine Kulanzgrenze widerstandslos ins Bodenlose sinken würde, hätte sie ein Gesicht wie eine verbrauchte, abgehalfterte Latexfetischistin, die sich bis zum Scheitel in anonymen Gummi packt.
Auf irrsinnig hohen Lackpumps schlendert sie nahezu pervers elegant genau in unsere Richtung. Meine Hände sind schweißnass. Die Begrüßung fällt allerdings unerwartet kühl aus, da sie James kurz die Hand schüttelt. Mir allerdings nickt sie schelmisch zu und hält meine Finger lange in ihren kleinen. Sie sagt etwas zu James und der zieht mich näher zu sich. Verstohlen versuche ich den von der Fahrt zerknautschten Anzug wenigstens etwas in Form zu bringen.
»Rachelle, darf ich dir unseren neuen Freund vorstellen. Harris McLiod. Er hat eine sehr interessante Ausdrucksweise. Fast genauso, ähm, aufreizend wie seine Garderobe«, stellt mich James süffisant vor. In diesem Moment würde ich ihm am liebsten mit einem stumpfen Löffel das Herz heraushebeln. »Wir hatten freie Fahrt, deswegen sind wir schon früher als abgemacht angekommen. Ich dachte, es ist eine gute Idee, ihr lernt euch so schnell wie möglich kennen. Dann haben wir das auch hinter uns.«
Sie sieht mir direkt in die Augen. Ihre sind von so hellem Grau, dass man beinahe durch sie hindurch fällt. Sie hypnotisieren mich, dass ich strauchle und mich noch enger mit dem Rücken an die Wand presse. Rachelle ist elfenhaft schön und ich bin froh, nachher kein erdachtes Gesicht zu meiner ohnehin fantasievollen Abendbeschäftigung hinzufügen zu müssen. So etwas ist doch immer recht anstrengend.
»Noch ein Schotte. Freut mich, Harris. Dann sind wir ja ein eingeschworener Club von Bestattern heute Abend. Ich bin James´ Partnerin. Rachelle Hammerstein.«
Ich traue meinen Ohren nicht; allerdings, wen hatte ich schon erwartet kennenzulernen? Mit Argusaugen beobachte ich die beiden, wie sie sich kurz unterhalten. Freudig stelle ich fest, dass James an ihr ebenso wenig interessiert ist, wie sie es an ihm zu sein scheint. Eher noch macht es den Eindruck, diese schöne dunkle Fee ist genervt, geradezu gelangweilt von ihm. Ein Paar sind sie definitiv nicht, in keinster Beziehung. Sie ist mein! Oder wird es sein, wenn ich die Gelegenheit bekomme, mich ihr zu beweisen. Immer wieder schielt sie zu mir herüber, senkt aber sofort den Blick, sobald ich sie ansehe. Rachelle. Sie ist die Personifizierung meiner hedonistischsten, verzweifeltsten und ungalantesten Träume. Dann dreht sie sich abrupt um und verschwindet in der tanzenden Menge. Unauffällig recke ich den Hals, um wenigstens ein klein wenig von ihr zu sehen. Ab und an erhasche ich einen Blick auf ihr taillenlanges, glattes
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