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Kaltgeschminkt (German Edition)

Kaltgeschminkt (German Edition)

Titel: Kaltgeschminkt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rona Walter
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doch noch seinem Begleiter nachhechtet und sich durch die bereits zufallende Tür schiebt.
    »Eigentlich sollte man seine Opfer ja nie unterschätzen. Aber in diesem Fall …«, sagt James.
    Ich fische das kleine Röhrchen hervor und stecke es in die Naht meines Sakkos. Dann springen wir aus den leeren Augenhöhlen der Betonruine und schlendern in übertrieben lässigem Stil der bunt glitzernden Partyburg entgegen. Dass ich Nadelstreifen und Hemd zur Jeans trage, ist klar, und auch James hat sein Bandshirt ausnahmsweise mit einem Jackett und schwarzer Stoffhose aufgehübscht. Sportschuhe sind gegen den Dresscode hier, deswegen habe ich ihm ein Paar von meinen schwarzweißen ›Doc Martens‹ geliehen. Wir sehen gut aus. Problemlos kommen wir hinein und schauen uns erst einmal gründlich um. Es ist, als wären wir in den Achtzigern gelandet. Eine einzige Tanzfläche bildet Raum für alles. Trinken, flirten, Konversation. Nur getanzt wird hier nicht. Die Bar steckt als neonblaue Schlange das offizielle Gebiet ab. Jenseits davon erkenne ich unbeleuchtete Nischen in denen tiefe Sofas stehen, vor jedem eine eigene GoGo-Stange. Auf zwei runden erhöhten Bühnen machen halbbekleidete Damen mit silbernen Korkenzieherlocken und Spitzenbodys im Stil des Rokoko futuristische Tanzeinlagen.
    Als ich James Blick nach oben folge, sehe ich absolut live eine Lesbenshow, die im sacht schwingenden Käfig mehrere Meter direkt über uns stattfindet. Jetzt ist mir klar, warum James nicht wollte, dass ich Rachelle in unseren Plan einweihe. Natürlich habe ich es trotzdem getan, und muss seitdem auf jegliche Streicheleinheit verzichten. Jegliche! Dennoch ist im Moment alles gut.
    Wir sehen uns um. James wirft ein paar barock gekleideten Mädchen in High Heels und halterlosen Strümpfen (und beinahe nur in solchen, außer mikroskopisch kleinen silbernen Nipple Covern!) dreckige Blicke zu. Keine würdigt ihn auch nur eines raschen Schulterblickes. Zwar hält ihn das nicht davon ab, aber es kühlt doch ein wenig sein Gemüt und er hält sich zurück. An einer Sitzgruppe entdecke ich Yngve und seinen Gastgeber.
    »Du willst ihn also ködern?«, rufe ich unseren Plan nochmals hervor. »Du benutzt ihn als Köder für sein eigenes Opfer und verspürst nicht einmal die leiseste Reue?«
    »Ich benutze ihn nicht als Köder. Ich benutze ihn als Anschauungsmodell für deine letzte Lehre. Vor allem … was interessiert es dich schon? Er könnte immerhin deine Ablösung sein.«
    Richtig. Ich wünschte wirklich, ich hätte einen besseren Plan, oder wenigstens einen eleganteren. Aber die Abwesenheit von ein paar ordentlichen Zügen meines Stoffes oder zumindest eines Absinths, machen mir solche geistigen Feinmotoriken unmöglich.
    Der blonde Nordmann sitzt lässig in den Polstern, auf jedem Knie eine Schönheit im knappsten Cocktailkleid. Die eine, blutjung, füttert ihn mit Rosinen, und er schlabbert Grappa aus dem Mund der anderen in rote Flitter gekleideten Dame. Wobei ich überlege, ob Dame wirklich eine geeignete Bezeichnung ist für das, was sie nun beide schamlos und in aller Öffentlichkeit mit ihm anstellen. Jedenfalls lehnt er sich genießerisch zurück, ohne sich um den Wind, der um seine eigenen Nüsse wehen muss, zu scheren. Auch unser Opfer Yngve wendet angewidert den Blick ab. Sein Fluchtgedanke ist ihm förmlich ins Gesicht tätowiert.
    »Der kann einem echt leidtun, was?«, lacht James.
    Ich recke das Kinn, taste im Stoff meiner Garderobe nach dem Röhrchen. »Er kann ja gleich wieder gehen. Komm, freunden wir uns mit ihm an.«
    Wir gehen zielstrebig auf die beiden Männer zu. Wettergott Thor´s kleiner Bruder nickt uns kurz zu und gibt sich dann wieder seiner Abendveranstaltung hin. Yngve sieht zuerst verstört von mir zu James, ehe er seine Maske mit der Arroganz aus dem Hut zaubert.
    »Ja, bitte?«
    Er klingt wie eine Rezeptionistin, stellt sein kleines Schauspiel jedoch nicht schlecht dar. Beinahe glaubwürdig. Seine kleinbürgerliche Hochnäsigkeit habe ich ihm bereits beim ersten Blick in seine babyblauen Augen angesehen.
    „Wie wär´s, wenn wir drei uns das Gleiche leisten wie dein… Freund hier. Nur ohne Nutten.«
    James zwinkert ihnen lässig zu. Man kann ihn an Lässigkeit einfach nicht übertreffen. Eine der Frauen sieht meinen Freund bissig an.
    »Wir sind keine Nutten!«
    James deutet eine Verbeugung an. »Mein Fehler, ihr wollt ja Huren genannt werden. Verzeih mir.«
    Er wendet ihr brüsk den Rücken zu und schenkt

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