Kaltgeschminkt (German Edition)
wäre.
Brachiales Hämmern dröhnt gegen meine Wange, als das Holz unter den schnellen Schlägen des selbsternannten Zerstörers vibriert. Panisch brülle ich meine Angst heraus, eine ungewohnte Belastung für meine Stimmbänder, die sich auch prompt überschlagen. Vergeblich töne ich gegen den ohrenbetäubenden Lärm an, der dort vor meiner Tür tobt. In der Hoffnung auf Hilfe und aus Furcht, kein zweites Mal meine Stimme strapazieren zu können, wage ich es nicht, aufzuhören. Mein Schlafraum schrumpft zu einem Mauseloch, durch welches das ohrenbetäubende Krachen des Holzes lärmt, als nach einer kurzen Pause erneut auf das Heftigste dagegen geschlagen wird. Mechanisch halte ich mir die Ohren zu, gefährlich verlangsamt vom Alkohol sind meine Reaktionen. Und: Es. Hört. Einfach. Nicht. Mehr. Auf!
Apathisch wiege ich mich vor und zurück, den Kopf zwischen den Knien. Ich sehne mich danach, genau jetzt Rachelles Stimme zu hören, zu wissen, dass sie da ist und alles nur ein völlig verrückter Traum ist. Zum ersten Mal verwünsche ich meine Entscheidung gegen ein Mobiltelefon. Dass ich vor Angst geweint haben soll, ist jedoch wirklich nur ein Gerücht.
Der Besuch des Boten und extrem dünnes Eis
Die Hölle bricht über mich herein, diesmal die irdische. Und wie irdisch sie ist. Doch von vorn …
Seit Stunden liege ich neben James auf der Lauer. Wir halten nach dem geeigneten Opfer Ausschau, an dem mich James in die etwas dunkleren Nischen der Forensik einführen kann. Wir rauchen einen Monatsvorrat unserer Zigaretten (ich teile ein paar mit Pfiff mit James) und leeren jeder unsere zweite Flasche Astra Rotlicht aus dem Sixpack. Wir haben einen Plan, sitzen in den leeren Fenstern eines baufälligen Gebäudes, direkt gegenüber eines Ladens, der mit seinen in Leopardenoptik bemalten Säulen eher einem Puff gleicht, als einer Diskothek. Nieselregen hat uns längst durchnässt. Persönliche Gespräche sind uns zuwider, schließlich wissen wir nicht, ob wir uns nicht bald die Schädel einschlagen werden. Ich für meinen Teil bin mir da sicher, und auch James ist nicht der Typ, der mit offenen Augen in sein Ableben rennen wird. Eigentlich sollte die Stimmung die einer weniger lustigen Beerdigung sein. Dennoch machen wir uns einen Heidenspaß daraus, über die Besucher der Edeldisco zu lästern. Was ich allerdings nur tue, wenn ich hemmungslos betrunken bin.
»Sie dir mal die Schnalle da an!«, japst James und zeigt auf einen dürre Blondine in nahezu nicht existentem Minirock und notdürftig unter den Brüsten gebundenem Shirt. Albern kichernd stützt sie sich auf die Schultern eines dicklichen Mannes, der zweifellos vermögend ist. An seiner Optik kann es schließlich kaum liegen. Ich teile meine Idee mit James und er grölt vor Lachen. Die Blondine stöckelt peinlich unbeholfen hinter dem Dicken her, streckt ihre Hand immer wieder nach seinem Arm aus, den er ihr unwirsch entzieht.
»Wow! Manche Frauen sind sich echt für nichts zu schade.« Wieder grölt er. »Da lob ich mir doch die schwarzen Mädels aus der Szene. Ästhetische Schönheiten mit Hang zur dunklen Seite. Die haben echt was. Hey, hast du Rachelle schon deine Instrumente gezeigt?«
Für diesen ordinären Affront zerschlage ich ihm beinahe die Kniescheibe.
»Also ja! Jippie! Nimm sie, Alter, nimm sie und wirf sie weit weg!«
Er macht eine eindeutige Geste. Tadelnd schüttle ich den Kopf. Wieder frage ich mich, weshalb er das alles auf sich nimmt, diese Spielchen mit sich selbst, mir und den Dreien.
»Warum bestechen sie dich nicht einfach?«
Er ist sofort im Bilde, wovon ich rede. Es beschäftigt ihn genauso wie mich und er verleugnet es ebenso wie ich.
»Womit denn? Mit einem neuen Leben?«
»Zum Beispiel.«
»Was meinst du wohl, was ich mit meiner beschissenen Seelenbilanz werden würde.«
»Aber du wärst am Leben.«
» Am Leben würde es dann wohl kaum mehr treffen.«
Plötzlich betritt ein großer, blonder Mann mit Pferdeschwanz die Bildfläche, dessen Bräune aus fragwürdigen Verhältnissen stammen muss. Ich beuge mich etwas aus dem Schatten, um mir den Kerl genauer anzusehen, der den Typ Mann verkörpert, wegen dem ich seinerzeit Rhona verloren habe.
James deutet mein Interesse leider falsch und beugt sich ebenfalls vor. »Der ist er nicht, McLiod! Zu groß …«
»Pferdeschwanz«, murmle ich.
»Japp. Und einen Zopf hat er auch. Hah!«
Jemand mit gutem Humor, der sich intellektuell auf meiner Basis befindet, wäre auch zu schön
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