Kaltgestellt
Ladens und blickte sich verwirrt um, bis ein Sanitäter auf sie zueilte und sie sanft aus dem Blickfeld der Kamera führte. Nach diesen Bildern war wieder der Nachrichtensprecher zu sehen, der mit ernster Stimme verkündete: »Es folgt eine Ansprache von Superintendent Roy Buchanan von der Londoner Polizei.« Buchanans Gesicht erschien auf dem Bildschirm. Er blickte mit grimmiger, entschlossener Miene direkt in die Kamera. Seine Stimme klang ruhig und fest. »Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, der Commissioner der Londoner Polizei hat mich soeben zum Leiter der Antiterrorabteilung ernannt. Ich habe umfassende Befugnisse erhalten, darunter auch die, mir Hilfe von sämtlichen anderen Behörden zu holen. Wir wissen, daß der grauenvolle Anschlag, den Sie soeben gesehen haben, ebenso wenig von der IRA verübt wurde wie die zwei anderen Bombenanschläge auf Kaufhäuser in London, die kürzlich stattgefunden haben. Es gibt auch keinerlei Hinweise darauf, daß ultra-extremistische Moslemsekten dafür verantwortlich sind. Ich werde Tag und Nacht daran arbeiten, die feigen Mörder zur Strecke zu bringen, und habe meinen Männern Befehl gegeben, bei einem Kontakt mit ihnen sofort das Feuer zu eröffnen. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.«
»Das war ziemlich starker Tobak«, sagte Newman, nachdem Marler den Fernseher ausgeschaltet hatte. »Zum Glück meint er wirklich, was er sagt.«
»Er ist ebenso entschlossen wie ich«, sagte Tweed mit sehr ruhiger Stimme. »Wir werden diese feige Brut vernichten.« Marler blieb zurück, während die anderen wieder auf ihre Zimmer gingen. Tweed hatte ihnen noch geraten, sich nicht schlafen zu legen, da sie jeden Moment damit rechnen mußten, das Hotel binnen Minuten zu verlassen. »Nach dem Schuß auf Sie habe ich bei Basil Windermere auf dessen Zimmer angerufen. Es hat niemand abgehoben. Danach habe ich die Nummer von Rupert Strangeways gewählt. Auch dort war niemand. Die beiden sind offenbar nicht im Hotel.«
»Und jetzt glauben Sie, daß einer von ihnen das Phantom ist.«
»Und Sie?«
»Es könnte auch jemand ganz anderes sein, der bisher noch nicht in Erscheinung getreten ist«, meinte Tweed. »Obwohl das Phantom ein fantastischer Schütze ist, hat er bereits zweimal vorbeigeschossen. Einmal bei dem Schuß auf Paula in Irongates und das zweite Mal heute Abend.«
»Könnte das nicht Absicht gewesen sein, um meine Nerven zu zerrütten? Und warum muss das Phantom überhaupt ein Mann sein? Frauen können genauso gut mit einem Gewehr umgehen wie Männer«, sagte Tweed. »Eines Tages werde ich ihn – oder sie – schon erwischen, darauf können Sie sich verlassen.«
»Übrigens«, sagte Tweed, »wenn wir nach Freiburg fahren, was meiner Meinung nach sehr bald der Fall sein wird, dann werden wir zunächst im Hotel Colombi absteigen. Ich war schon einmal dort: Es ist ein erstklassiges Haus nicht weit vom Bahnhof entfernt. Den Schwarzwälder Hof heben wir uns als Ausweichquartier auf. Er liegt mitten in der Altstadt. Vielleicht müssen wir auch zwischen den beiden Hotels hin und her pendeln. Und seien Sie nicht erstaunt, wenn Sie im Colombi auf Sharon treffen. Sie hat uns beim Abendessen gesagt, daß sie ebenfalls dort wohnen wird.«
»Ich frage mich, ob diese Frau nicht etwas im Schilde führt.«
»Im Augenblick versucht sie herauszufinden, ob sie in Amerika bleiben oder ihr Domizil in England aufschlagen soll.« Es klopfte an der Tür. Marler ging öffnen und ließ Paula herein. Sie nahm nicht Platz, sondern blieb mitten im Zimmer stehen.
»Störe ich? Dann kann ich jederzeit wieder verschwinden.
Aber die Warterei macht mich ganz unruhig.«
»Nein, bleiben Sie ruhig hier«, sagte Tweed.
»Setzen Sie sich.« Dann wandte er sich wieder an Marler.
»Ich frage mich, weshalb Sie sich solche Gedanken wegen Sharon machen.«
»Ich glaube nicht, daß der Befehl, Sie zu töten, von außerhalb kam. Vermutlich hat ihn jemand gegeben, der hier im Hotel ist.«
»Wovon sprechen Sie überhaupt?«, fragte Paula. »Was soll das für ein Befehl sein?«
»Das wollte ich Ihnen eigentlich erst später erzählen«, erklärte Tweed. »Auf dem Rückweg vom Polizeipräsidium hierher wurde direkt vor dem Hoteleingang auf mich geschossen. Aber es besteht kein Grund zur Beunruhigung – der Schuß ging meilenweit daneben.«
»Wie man’s nimmt«, sagte Marler.
»Aber warum soll ausgerechnet Sharon etwas damit zu tun haben?«, fragte ihn Tweed. »Hier im Hotel wohnen schließlich noch andere
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