Kaltgestellt
Leute.«
»Wer denn zum Beispiel?«
»Ed Osborne.«
Mitten in der Nacht rief Jake Ronstadt seine Männer zu sich auf seine Suite. Wie befohlen, waren alle reisefertig angezogen. Ganz entgegen seiner Gewohnheit blieb Ronstadt am Kopfende des Tischs stehen.
»Wer zum Teufel hat gesagt, daß ihr euch setzen dürft?«, polterte er los, als seine Leute automatisch Platz genommen hatten.
»Steht auf, verdammt noch mal. Wir sind hier nicht im Altersheim!«
»Entschuldigung, Boss«, sagte Vernon. »Pennt mir bloß nicht ein, sonst landet ihr mit einer Kugel im Kopf im Straßengraben«, sagte er drohend. »Habt ihr alle euer Zeug gepackt? Wer das noch nicht gemacht hat, hebt die Hand.« Alle Hände blieben unten, während Ronstadt lauernd von einem zum anderen blickte. Keiner wagte es, auch nur einen Muskel zu bewegen. Als Ronstadt wieder sprach, klang seine Stimme bedeutend ruhiger. »Wir verlassen jetzt das Hotel und fahren erst nach Freiburg und dann in den Schwarzwald. Das habe ich euch zwar schon gesagt, aber weil viele von euch offenbar ein Gedächtnis wie ein Sieb haben, wiederhole ich es noch einmal. Ich fahre den ersten Wagen und Vernon den zweiten. Wenn wir in Deutschland auf der Autobahn sind, halte ich irgendwann mal den Arm aus dem Fenster und zeige Vernon damit den Parkplatz, auf dem die Wagen mit den Waffen warten. Vernon lädt dann die Waffen in sein Auto um und schließt, so schnell er kann, wieder zu mir auf. Ist das zu schwierig für dich, Vernon?«
»Nein. Das ist stinkeinfach, Boss.«
»Wollen wir’s hoffen. So, die Hotelrechnung ist bezahlt – worauf warten wir also noch?«
»Hat Denise sich seit ihrer Abreise mal bei Ihnen gemeldet?«, wollte Tweed von Marler wissen.
»Nein. Aber warum sollte sie auch? Ich bin wohl der Letzte, an den sie sich wenden würde, nachdem sie uns dieses Lügenmärchen von der Minotaurus aufgetischt hat.« Tweed wußte nicht so recht, was er seinen Leuten sagen sollte. Inzwischen hatten sich alle wieder in seinem Zimmer versammelt. Auch Keith Kent war gekommen. Er machte von allen den gelassensten Eindruck. Es war mitten in der Nacht, und die Spannung stieg. Alle warteten darauf, daß es endlich weiterging, wußten aber auch, daß es genauso gut sein konnte, daß überhaupt nichts geschah. Paula saß in einem Sessel und wippte mit den übereinander geschlagenen Beinen. Sie überlegte sich, ob sie sich noch eine Zigarette anzünden sollte, ließ es dann aber doch bleiben. Newman saß auf der Couch und sah immer wieder auf die Uhr. Butler und Nield unterhielten sich leise.
»Möchte vielleicht noch jemand eine Tasse Kaffee?«, fragte Tweed. Niemand meldete sich. Newman dachte daran, daß er sich wohl doch lieber noch ein wenig aufs Ohr hätte legen sollen. Paula trat ans Fenster und schaute durch den Spalt zwischen den Vorhängen hinaus. In den alten Häusern auf dem gegenüberliegenden Rheinufer brannten noch vereinzelte Lichter, die sich auf den Wellen des Flusses spiegelten. Schlaflosigkeit gibt es wohl überall auf der Welt, dachte sie. Das Handy, das Tweed auf den Tisch gelegt hatte, begann auf einmal zu läuten. Tweed vermied es, zum Tisch zu stürzen. Er nahm das Mobiltelefon mit einer ruhigen Bewegung ans Ohr. Dabei war er sich bewußt, daß sechs Augenpaare ihn anstarrten. »Hallo?«
»Sie sind losgefahren. Bald dürften sie an der Grenze sein.«
»Danke.«
Becks Stimme hatte entschlossen und sachlich geklungen. Tweed steckte das Handy in die Jackentasche und wandte sich betont lässig an die anderen, als wollte er sie zu einer sonntäglichen Ausflugsfahrt einladen. »Es ist so weit, Leute. Dann wollen wir uns mal auf den Weg machen.«
Im Atlantik, viele Meilen von der amerikanischen Küste entfernt, lehnte sich Rear Admiral Joseph Honeywood in seinem Stuhl auf der Brücke des Flugzeugträgers President zurück. Es war Nacht, eine Zeit, in der Crag, wie ihn seine Leute nannten, gern in der Kommandozentrale war. In der Dunkelheit mußte man ständig mit unangenehmen Überraschungen rechnen.
»Wir machen gute Fahrt«, sagte Crag zu seinem Ersten Offizier, der neben ihm stand. »Wenn wir weiter so vorankommen, werden wir in weniger als vier Tagen den Ärmelkanal erreicht haben.«
»Da haben Sie Recht, Sir.«
»Und bisher hatten wir Glück, Bill. Wir sind weder von einem anderen Schiff noch von einem Verkehrsflugzeug gesichtet worden.«
»Ich habe allerdings das Gefühl, daß das nicht mehr lange so bleiben wird, Sir. Früher oder später müssen es die
Weitere Kostenlose Bücher