Kaltgestellt
Kent, der entspannt in seinem Sitz saß und so aussah, als würde er ein kleines Nickerchen machen.
»Ich finde, Sie sollten auch eine Waffe tragen, Keith. Wie wäre es mit einer Walther Automatik?«
»Vielen Dank«, erwiderte der Finanzexperte. »Allerdings habe ich seit einer Ewigkeit keine Pistole mehr in der Hand gehabt.«
»Dann müssen wir uns vor Ihnen wohl in acht nehmen«, sagte Marler augenzwinkernd, bevor er wieder zurück zu seinem Wagen ging.
»Während wir warten, kann ich Ihnen ja erzählen, daß Sharon Mandeville eine Stunde vor uns abgereist ist. Und zwar in einem Mercedes.«
»Dann hat sie ihren Entschluß, nach Freiburg zu fahren, wohl ziemlich rasch in die Tat umgesetzt«, bemerkte Paula. »Und ob. Der Nachtportier hat mir außerdem mitgeteilt, daß auch Ed Osborne mit seinem Wagen vom Hotel weggefahren ist.«
»Vermutlich ebenfalls in Richtung Freiburg«, sagte Paula. »Sieht so aus, als würde es langsam ziemlich voll in dieser Stadt.« Sie blickte hinüber zu Tweed. »Was ich Sie schon die ganze Zeit über fragen wollte: Hat Monica Ihnen am Telefon eigentlich etwas Neues über die Identität von Charlie sagen können?«
»Sie hat mich erst kurz vor unserer Abfahrt angerufen und mir in verklausulierten Worten, deren wahren Sinn nur sie und ich verstehen konnten, mitgeteilt, daß sie bei ihrer Suche bisher keinen Erfolg gehabt hat. Aber sie bleibt weiter dran.«
Fünf Minuten später schaute Tweed wieder durch sein Nachtsichtglas. Paula hatte das Fenster heraufgekurbelt, damit nicht noch mehr von der eiskalten Nachtluft ins Innere des Wagens kam. Weil Newman den Motor laufen ließ, sorgte die Heizung ziemlich bald wieder für angenehme Temperaturen.
»Der vierte Wagen ist wieder da«, sagte Tweed. »Jetzt steigen vier Männer mit Koffern aus und bringen zwei davon in den ersten Wagen und je einen zu Wagen zwei und drei. Wir müssen wohl davon ausgehen, daß Ronstadt und seine Leute jetzt bis an die Zähne bewaffnet sind.«
»Insofern war es ja eine gute Idee von Marler, uns die Handgranaten zu geben«, sagte Newman.
»Jetzt fahren sie wieder los.« Er wartete noch einen Augenblick, bevor er den Audi wieder in Bewegung setzte. Marler folgte ihm. Paula sah auf die Karte. Draußen war der Mond aufgegangen und tauchte die leere Landschaft links und rechts von der Autobahn in ein milchigweißes Licht. Als sie die Ausfahrt Nummer 65 passiert hatten, reduzierte Newman die Geschwindigkeit. Paula blickte auf und sah, daß eine dünne Schneedecke auf der Autobahn lag. Sekunden später fuhr auch der Konvoi vor ihnen langsamer. »Unter dem Schnee ist ab und zu etwas Glatteis«, erklärte Newman.
»Bei dieser Geschwindigkeit hätte ich keine Lust, daß wir ins Schleudern geraten«, sagte Paula.
»Wenn es eine durchgehende Eisfläche wäre, würde ich schon damit zurechtkommen«, erwiderte Newman, »aber wenn es mal glatt ist und dann wieder nicht, ist das etwas anderes. Ronstadt ist offenbar zu derselben Erkenntnis gekommen. Eines muss man dem Mann ja lassen: Er ist ein ausgezeichneter Autofahrer.«
»Vielleicht hat er seine Verbrecherkarriere in den Staaten als Fahrer von Fluchtfahrzeugen begonnen«, meldete Keith Kent sich zum ersten Mal zu Wort.
»Das würde mich nicht wundern«, sagte Newman. »Und dann hat er sich wahrscheinlich über einen Berg von Leichen emporgearbeitet.«
Die sechs Audis glitten weiter hintereinander durch die Nacht. Ronstadts Konvoi fuhr jetzt sehr viel langsamer. Die weiten Felder neben der Autobahn schimmerten weiß im Mondlicht. Auf dem Beifahrersitz von Newmans Wagen sah Paula ein weiteres Mal auf die Landkarte. »Wir fahren jetzt auf die Ausfahrt Nummer dreiundsechzig zu, bis dahin ist es aber noch ein gutes Stück. Wenn wir die Autobahn über die Ausfahrt Nummer zweiundsechzig verlassen, kommen wir in Freiburg-Mitte an.«
»Darf ich mal einen Blick auf die Karte werfen?«, fragte Tweed. Paula reichte ihm die Landkarte, die er im Licht der Taschenlampe sorgfältig studierte. Er hatte zwar die Gegend von seinem letzten Besuch her noch recht gut im Kopf, aber es war schließlich möglich, daß die Deutschen während seiner Abwesenheit eine neue Straße gebaut hatten. »Könnten Sie mal kurz anhalten?«, sagte er zu Newman. »Ich muss kurz etwas mit Marler besprechen.«
»Wird gemacht.« Newman bremste den Wagen ab und lenkte ihn auf den Standstreifen. Marler hielt knapp hinter ihnen und kam, ohne daß Tweed ihm ein Zeichen geben mußte, nach vorn an sein
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