Kaltgestellt
die Ausfahrt 62 die Autobahn verließen und auf die Bundesstraße nach Freiburg abbogen. Tweed drückte ihr den Arm. »Sie werden sehen, es läuft so, wie ich es mir vorgestellt habe«, sagte er.
»Wie machen Sie das bloß? Es ist fast so, als könnten Sie Ronstadts Gedanken lesen.«
»Da ist nichts Übernatürliches dabei. Ich versuche bloß, mich in die Lage meiner Feinde zu versetzen. Haben Sie Ihre Taschenlampe griffbereit, damit Sie Marler das Signal geben können?«
»Ja, habe ich.« Paula schaute aus dem Fenster auf die vom Mondlicht beschienene Landschaft. Die Straße, die sie jetzt entlangfuhren, war viel schmaler als die Autobahn, aber hervorragend ausgebaut. Sie verlief auf einer Art erhöhtem Damm oberhalb der verschneiten Felder, an deren Rändern kahle Bäume wie stumme Wächter ihre Zweige in den Himmel reckten. Paula kam es fast so vor, als würden sie sich auf einem von Bäumen eingesäumten Boulevard bewegen. Als sie durch die Windschutzscheibe nach vorn blickte, konnte sie in einiger Entfernung einen tief verschneiten Gebirgsstock erkennen, der im Mondlicht wie eine zu Eis gefrorene Woge wirkte.
»Was sind denn das für düster wirkende Berge da vorn?«, fragte sie.
»Das«, antwortete Tweed, »ist der Schwarzwald.«
»Sieht ziemlich bedrohlich aus.«
»Im Winter, wenn er verschneit ist, kann der Schwarzwald sogar ausgesprochen schön sein.«
»Wenn Sie es sagen.« Paula wandte sich wieder der Karte zu. Sie waren jetzt nicht mehr weit von der Kreuzung entfernt, von der Tweed gesprochen hatte. Als sie wieder nach draußen blickte, schien das Gebirge noch höher und abweisender zu sein. Davor befand sich jetzt eine Reihe von Gebäuden, über die sich am Nachthimmel eine gelbliche Lichtglocke wölbte. Paula setzte sich gerade hin und starrte nach vorn zu den roten Rücklichtern der vor ihnen fahrenden Audis. Kurze Zeit später sah sie, wie das erste Auto nach links abbog, während die drei dahinter weiterhin geradeaus fuhren. Rasch drehte sie sich um und sah, daß Marlers Wagen ihnen in relativ geringem Abstand folgte. Sie hob die Taschenlampe, richtete sie auf das Rückfenster und schaltete sie dreimal hintereinander ein und aus. Nach dem dritten Lichtzeichen glaubte sie erkennen zu können, wie Marler ihr bestätigend zunickte.
»Schon wieder wußten Sie genau, was die anderen tun würden«, sagte sie zu Tweed.
»Stimmt. Aber das funktioniert nicht immer«, erwiderte Tweed und beugte sich vor.
»Biegen Sie nach links ab, Bob. Ich werde versuchen, Sie zum Colombi zu lotsen. Hoffen wir, daß sie das Hotel nicht verschoben haben«, fügte er in scherzhaftem Ton hinzu. »Wird uns denn nicht Ronstadt automatisch hinführen?«
»Ich glaube schon. Aber man kann ja nie wissen. Wenn wir dann im Hotel sind, achten Sie darauf, daß Sie nur das wirklich Notwendigste auspacken. Es kann sein, daß wir ziemlich schnell wieder verschwinden müssen.« Sie warteten zehn Minuten in einer dunklen Seitenstraße, bis Ronstadt und die drei Männer aus seinem Wagen im Colombi verschwunden waren. Ein uniformierter Page fuhr den Audi in die Garage. Die dunklen Gebäude beiderseits der Straße warfen schwarze Schatten, zu denen der hell erleuchtete, einladend wirkende Eingang des Hotels in starkem Kontrast stand. Tweed sah auf die Uhr. »Gehen wir hinein und hoffen wir, daß Ronstadt und seine Schlägertypen schon auf ihre Zimmer gegangen sind. Vielleicht haben sie ja Hunger und lassen sich vom Zimmerservice noch etwas bringen.« Als sie aus dem Wagen stiegen, kamen bereits Hotelbedienstete auf sie zu und nahmen ihnen das Gepäck ab. Derselbe Page, der auch Ronstadts Wagen weggefahren hatte, bot sich an, dasselbe mit dem von Newman zu tun. Newman lehnte ab.
»Es kann sein, daß ich gleich wo hinfahren muss. Lassen Sie das Auto also lieber hier auf der Straße stehen.«
»Aber das ist sehr ungewöhnlich.«
»Ich bin eben ein ungewöhnlicher Mann.« Newman lächelte den Mann an und gab ihm einen Hundertmarkschein, woraufhin es keine weitere Diskussion gab. Tweed und Paula waren bereits im Hotel. Während Tweed das Anmeldeformular unterzeichnete, sah Paula sich um. Das Hotel sah luxuriös und gediegen aus. Als Tweed fertig war, warf er einen Blick in die Hotelhalle – und erstarrte. »Was ist denn?«, flüsterte Paula. Im selben Augenblick stieß Newman zu ihnen.
»Kommen Sie mit und sehen Sie selbst.« Tweed betrat mit dem Mantel über dem Arm die Halle. Paula meinte, ihre Ankunft im Hotel Drei Könige noch
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