Kaltgestellt
noch größer und mächtiger zu werden und.«
»Warum liefern Sie dann China fortschrittliche Technik zum Aufbau seiner riesigen Kriegsmaschinerie?«, unterbrach Tweed die Ausführungen des Amerikaners. »Weil unser Präsident manchmal leider über das Ziel hinausschießt«, antwortete Morgenstern.
»Auf der anderen Seite werden die Chinesen dadurch auch ruhig gestellt. Und ganz im Vertrauen: Wir haben natürlich sehr viel mehr in puncto Raketentechnik zu bieten als das, was wir China verkauft haben. Aber das Land hat eine Bevölkerung von über einer Milliarde Menschen, während wir es gerade mal auf zweihundertsechzig Millionen bringen. Sollte es zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen, könnte China den Verlust von fünfzig Millionen Menschen ohne größere Probleme wegstecken. Für uns freilich wäre das ein vernichtender Schlag.«
»Ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.«
»Wenn wir nach Europa blicken, sehen wir, daß die Staaten dort ihre Kräfte in einem nutzlosen Vereinigungsprozeß vergeuden. Denken Sie doch nur an all die verschiedenen Nationen mit eigener Geschichte, eigener Sprache, eigenem Lebensstil. Das unter einen Hut bekommen zu wollen ist purer Wahnsinn. Dabei müßte die Geschichte die Europäer doch gelehrt haben, daß Vielvölkerstaaten, wie beispielsweise das alte Habsburgerreich einer war, dem Untergang geweiht sind. Jugoslawien ist ein weiteres Beispiel dafür – auch dieser Staat, der aus teilweise sogar untereinander zerstrittenen Nationen zusammengewürfelt war, ist bald nach Titos Tod in einem Blutbad zerfallen. Genau das kann auch mit der Europäischen Union passieren, die auch nichts anderes ist als ein großes Jugoslawien. Oder nehmen Sie den Zerfall der Sowjetunion. Sobald die Zentralmacht weg ist, brechen solche Gebilde aus verschiedenen Nationalitäten in einem einzigen Chaos auseinander. Verstehen Sie jetzt, weshalb wir uns in Washington große Sorgen um Europa machen?«
»Sie haben es überzeugend dargelegt.« Der Kellner kam und füllte die Gläser ein weiteres Mal auf. »Lassen Sie doch bitte die Flasche da«, sagte Morgenstern mit einem Lächeln.
»Wir möchten jetzt nicht gestört werden. Wenn ich Ihre Hilfe brauche, werde ich nach Ihnen klingeln.«
»Ich glaube, Sie wollen auf etwas Bestimmtes hinaus, Jefferson«, bemerkte Tweed, als sie wieder allein waren. »Hinter Europa lauern, von uns aus gesehen, noch größere Gefahren. Der islamische Fundamentalismus ist auf dem Vormarsch. Die Türkei, die durchaus ein islamischer Gottesstaat werden könnte, wird bald eine Bevölkerung haben, die fast so groß ist wie die von Deutschland, dem bevölkerungsreichsten Land in der Europäischen Union. Was wäre, wenn sich ein gewiefter Moslemgeneral zu einem neuen Mohammed aufschwingen und Europa überrennen würde? Von einem besetzten Großbritannien aus wären die Moslems in der Lage, ihre Atomraketen auf die Ostküste der Vereinigten Staaten abzufeuern, während die Chinesen die Städte an unserer Westküste in Schutt und Asche legen könnten. Sie stimmen doch mit mir überein, daß so ein Szenario durchaus denkbar ist, oder? Übrigens, das Dessert ist wirklich ausgezeichnet.«
»Das Beste, das ich seit Jahren gegessen habe«, sagte Tweed.
»Der Iran baut heute schon Atombomben und verfügt auch über Trägerraketen. Wenn sich der Iran mit der Türkei zusammentäte, könnte niemand in Europa ihre vereinten Armeen aufhalten.«
»Das klingt so, als würde man sich in Washington große Sorgen machen«, sagte Tweed.
»Und das mit gutem Grund, wie ich gerade dargelegt habe. England wiederum, das seit über tausend Jahren ein Bollwerk gegen jegliche Tyrannei auf dem Festland war, hat sich auf militärischem Gebiet selbst ins Abseits manövriert. Die britische Armee ist nicht mehr der Rede wert, Ihre Luftwaffe ist nur noch ein Gerippe und Ihre Marine längst der Schatten ihrer selbst. Dabei war Ihr Land noch vor nicht allzu langer Zeit einer der mächtigsten Eckpfeiler der Allianz gegen Hitler. Davon ist heute nicht mehr viel übrig geblieben.«
»Dem, was Sie gesagt haben, kann ich nicht viel entgegensetzen.«
»Wollen wir unseren Kaffee nicht im Nebenzimmer nehmen?«
»Das ist eine gute Idee.« Das »Nebenzimmer« war fast genauso luxuriös ausgestattet wie der Salon und fast ebenso groß. Morgenstern und Tweed ließen sich auf zwei einander gegenüberstehenden Sofas nieder, zwischen denen ein kleiner Couchtisch stand. Morgensterns blaue Augen blitzten vor
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