Kaltgestellt
Park Crescent betrat. Der Wachmann blinzelte, als hätte er gerade ein kleines Nickerchen gehalten.
»Nur Paula ist noch im Büro.« Tweed ging nach oben und sah, daß Paula an Monicas Schreibtisch saß. Sie schaute auf ihre Uhr und blickte dann Tweed an. »Ich habe Monica überredet, nach Hause zu gehen und sich aufs Ohr zu legen. Sie hat wie eine Verrückte an ihren Dossiers gearbeitet und sah ganz erschöpft aus. Sie kommen ziemlich spät, Tweed. Hat das Essen mit Morgenstern denn so lange gedauert?«
»Nein, ich war danach noch in der Downing Street beim Premierminister, der ebenfalls bis spät in die Nacht hinein arbeitet.« Tweed zog den Mantel aus und setzte sich an seinen Schreibtisch. Aus einer Karaffe, die Monica ihm wohl noch hingestellt haben mußte, goß er sich ein Glas Wasser ein.
»Roy Buchanan hat angerufen«, berichtete Paula. »Als ich ihm gesagt habe, daß ich nicht weiß, wann Sie zurückkommen, hat er mich gebeten, Ihnen etwas auszurichten. Er hat aus einer recht zuverlässigen Quelle erfahren, daß die Sache mit der Übernahme bestimmter Medien durch die Amerikaner in die heiße Phase gegangen ist.«
»Ich weiß. Der Premierminister hat es mir bereits erzählt.«
»Und wir lassen das einfach tatenlos zu?«
»Der Premierminister ist der Meinung, daß man die Sache geschickt und ohne Aufhebens angehen muss. Er lässt die Amerikaner ihre Angebote machen, bevor er die Angelegenheit an die Kartellbehörde weiterverweist. Inzwischen will er beobachten, wie die Amerikaner mit ihrer neuen Propagandamaschinerie umgehen.«
»Das ist schlau. Wie war denn Ihr Gespräch mit Morgenstern? Oder soll ich Sie lieber nicht danach fragen?« Paula redete wie ein Wasserfall, um ihre nagenden Zweifel an Tweed zu übertönen.
»Paula«, sagte er mit ernstem Gesicht, »was ich Ihnen jetzt sagen werde, ist nur für Sie bestimmt. Newman und Marler werde ich es vielleicht später einmal erzählen, ebenso wie allen anderen, von denen ich denke, daß sie es wissen sollten. Ist der Raum heute eigentlich schon auf Wanzen hin untersucht worden?«
»Erst vor einer Stunde. Harry Butler war hier und hat alles überprüft. Er meint, daß alles in Ordnung ist.«
»Ich erzähle Ihnen jetzt alles, was Morgenstern zu mir gesagt hat. Das kann eine Weile dauern.« Während Tweed ihr minutiös von seinem Abendessen mit dem amerikanischen Außenminister berichtete, spürte Paula, wie ihr Vertrauen zu ihm zurückkehrte. Als er zu Ende war, schlug er mit der geballten Faust auf seinen Schreibtisch. »Jetzt wissen Sie alles. Ich bin übrigens inzwischen der Ansicht, daß die Amerikaner auf zwei verschiedenen Ebenen operieren.«
»Wie meinen Sie das?«
»Die eine Ebene ist die diplomatische, auf der Morgenstern aktiv ist. Ich bin mir sicher, daß er die Wahrheit gesagt hat, als er so vehement abstritt, daß seine Leute etwas mit dem Bombenanschlag in der Oxford Street zu tun haben könnten. Die andere Ebene wird vor ihm geheim gehalten, weil man weiß, daß ein Mann wie er sie niemals gutheißen würde.«
»Und was ist das für eine Ebene?«
»Die Ebene, auf der sich Charlie und Jake Ronstadt und all die Killer und Schlägertypen tummeln. Deren Job ist es, unser Land zu destabilisieren. Ich bin davon überzeugt, daß diese beiden Ebenen strengstens voneinander abgeschottet sind. Die diplomatische Ebene weiß von der Existenz der anderen nichts, dafür hat irgendwer – vielleicht dieser Charlie – mit diabolischer Durchtriebenheit gesorgt. Diese Leute benützen jeden Trick und sei er auch noch so schmutzig: Einschüchterung, Bestechung, Massenmord, was auch immer.
Ihr Ziel ist es, England in die Knie zu zwingen, damit uns ein Zusammenschluß mit den USA als die letzte Rettung vorkommt. Ich könnte mir gut vorstellen, daß demnächst ein Team vom FBI hier aufkreuzt um ›endlich einmal richtig durchzugreifend«
»Würde denn der Premierminister zulassen, daß so ein Team kommt?«
»Das weiß ich nicht. Aber ich habe ihn gefragt, was er denn tun würde, wenn die Amerikaner Logistikbomben gegen uns einsetzen würden.«
»Was um alles in der Welt ist denn das?«
»Ein neuer amerikanischer Ausdruck. Es geht um eine ganz neue Technik, mit der das Telefonnetz und die Stromversorgung eines Landes lahm gelegt werden kann. Stellen Sie sich nur vor, was es bedeuten würde, wenn man niemanden mehr erreichen könnte und keinen Strom mehr für Licht oder Heizung hätte – besonders bei den momentanen Witterungsbedingungen. Unsere
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