KALTHERZ
Augenblick, aber das Wohnheim lief ihr nicht davon, da konnte sie auch noch in einer Stunde hinfahren. Kurz en t schlossen willigte sie ein.
„Ich wohne in Bornheim. Kennen Sie das Uhrtür m chen?“, fragte er Katja, als sie das Haus verließen.
„Ja, da bin ich hin und wieder, eine schöne Ecke von Bor n heim.“
„Dann kennen Sie bestimmt auch das Café Wacker. Ich finde, die machen den besten Latte Macchiato weit und breit. Mögen Sie Latte Macchiato?“
Katja lachte. „Ich sterbe für Latte Macchiato. Wo steht eigentlich Ihr Auto?“
„Ich komme mit der U-Bahn zur Arbeit. Sie müssen mich schon in I h rem Auto mitnehmen.“
Sie gingen gemeinsam über den Hof und stiegen in Ka t jas Auto.
Das Café Wacker verfügte nur über sechs kleine Bistr o tische. Davor standen jeweils zwei unbequeme schwarze Holzstühle. An der Wand entlang boten Lederbänke etwas mehr Sitzkomfort. Sie erwischten gerade noch ein Tisc h chen im hinteren Teil des Cafés. Katja wollte lieber auf e i nem der Stühle sitzen, da die Lederbank mit Jacken und Schals belegt war. Über der Lederbank erweckte ein Spiegel den Anschein, als wäre der Gastraum doppelt so groß als in Wirklichkeit. Katja konnte sich ebenfalls im Spiegel sehen, was ihr una n genehm war. Sie versuchte, sich auf Gerd Reimers zu konzentrieren. Schließlich war sie nicht zum Vergnügen hier. Die Bedienung, eine junge Frau mit Pfe r deschwanz, begrüßte ihn freundschaftlich. Er schien b e kannt zu sein im Café.
„Hallo Gerd, wie immer?“ Sie lächelte ihn an, ohne groß Notiz von Katja zu nehmen.
„Nehmen wir zwei Latte Macchiato? Oder möchten Sie sich erst auf der Karte ansehen, was das Café Wacker an weiteren Köstlic h keiten zu bieten hat?“
„Nein, ich bleibe bei Latte Macchiato, danke.“ Katja lehnte sich zurück. „Ich habe den Eindruck, dass Ihnen die Arbeit mit den Behinderten viel Freude bereitet. Seit wann sind Sie in der Werkstatt in F e chenheim beschäftigt?“
„Es sind jetzt schon über acht Jahre. Zuerst war es eine Ve r legenheitslösung. Ich hatte meinen Job in einer großen Spedition verloren. Einsparungen wie überall. Meine Stelle ist dem Rotstift zum Opfer gefallen. In der Werkstatt h a ben sie jemanden gesucht, der Ahnung im Ve r trieb hat. Ich habe mich beworben und sie haben mich g e nommen.“
„Hatten Sie Erfahrung mit geistig Behinderten?“
„Ich habe eine jüngere Schwester, die von Geburt an geistig behindert ist, wenn Sie das unter Erfahrung ve r stehen. Aber meine fachliche Ausbildung war ausschla g gebend dafür, dass ich den Job b e kommen habe. Die Arbeit macht mir jedenfalls Spaß. Manchmal ist es natürlich auch stressig, das ist klar. Aber das ist ja in jedem Job so.“
Jetzt wurde Katja auch sein zwangloser Umgang mit den B e hinderten klar.
„Wohnt Ihre Schwester auch in einem der Wohnheime in Frankfurt?“
„Nein, ich komme aus Nordrhein-Westfalen, und meine Schwester lebt in einem Wohnheim in der Nähe der Wo h nung meiner Mutter. Mein Vater ist seit mehreren Jahren tot.“
Die Bedienung brachte zwei Gläser Latte Macchiato, stellte ein Glas mit der braunweißen Flüssigkeit vor Katja auf das kleine Tischchen und das andere mit einem vertra u lichen Lächeln vor Gerd Reimers. Katja streute sich reic h lich Zucker auf den Milchschaum, der das G e tränk krönte, und löffelte genussvoll den gezuckerten Schaum mit dem extra langen Löffel. Gerd Reimers beobachtete sie schmu n zelnd.
„Was ist, wundern Sie sich über meinen Zucke r konsum?“
„Nein, im Gegenteil, genauso liebe ich es auch, den La t te Macchiato zu trinken. Er schmeckt erst richtig gut, wenn der ganze Schaum mit Zucker bedeckt ist.“
„Und wenn man ihn löffelt, muss der Zucker noch kni r schen.“ Katja lachte ihn an und ließ sich einen weiteren Löffel der süßen aufgeschäumten Milch auf der Zunge ze r gehen. Dann wurde sie wieder ernster. „Wie gut kannten Sie Magnus Knab?“, fragte sie.
„Nicht sehr gut. Wir waren nicht befreundet, wenn Sie das meinen. Ich hatte ab und zu mit ihm oder Gertrud Wagner am Telefon zu tun, wenn jemand aus dem Woh n heim krankgemeldet wurde. Und bei Festen hat man sich halt getroffen und auch unterhalten. Das Frühlingsfest fi n det zum Beispiel immer bei uns in Fechenheim statt. Und so gibt es über das Jahr verteilt die Sommer- und Herbs t feste in den unterschiedlichen Wohnheimen. Ich bin oft dorthin gegangen, weil viele aus meiner Gruppe mich ei n geladen und sich g e freut haben,
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