KALTHERZ
einzelnen Wer k statträumen vorbei. In der Mitte des Gangs luden Pflanzen und Bänke zum Entspannen ein. Jetzt war der Gang mensche n leer.
Gerd Reimers kam aus einem der Räume auf Katja zu. Heute trug er keine Baskenmütze. Er hatte einen dicken Pullover, Jeans und eine Lederjacke an und streckte ihr mit einem Lachen die Hand en t gegen.
„Haben Sie es noch geschafft bis zu uns hier draußen?“
„Es tut mir leid, die Straßen waren total verstopft, h a ben Sie noch Zeit für unser Gespräch?“
„Kein Problem“, antwortete Gerd Reimers, und so wie er es sagte, hörte es sich an, als ob es bei diesem Mann sehr lange dauern würde, bevor überhaupt irgen d etwas zum Problem wurde.
„Ich zeige Ihnen jetzt erst mal unseren Werkstattraum.“ Er führte Katja an mehreren Tischen und Stühlen vorbei, die mit allerhand Materialien bedeckt waren. Der Raum war mindestens 70 Quadratmeter groß. An den Seiten lagerten Kartons und Kunststof f platten.
„Unsere Mitarbeiter bekommen manchmal jeden Tag andere Arbeit. Heute mussten sie Gürtel einpacken. Mo r gen sollen die Kunststoffplatten auseinande r gebrochen werden, damit sie besser vernichtet werden können. Wir nehmen sehr unterschiedliche Arbeiten an, damit wir übe r haupt ausgelastet sind. Früher war das Angebot vielfältiger. Aber auch bei uns macht sich die Wirtschaftskrise bemer k bar. Wir können nicht wählerisch sein.“
„Wo hat Lothar Meyer gesessen?“, fragte Katja.
„Lothars Platz war hier.“ Gerd Reimers deutete auf e i nen der Tische am Fenster.
„Hatte er Freunde in der Gruppe?“
„Stefan Hartmann und Selbermann sitzen ebenfalls an diesem Tisch. Sie haben sie sicher schon im Wohnheim kennengelernt. Lothar und Stefan waren b e freundet. Alle drei haben sich eigentlich gut ve r standen, bis auf die letzte Zeit.“
„Bis auf die letzte Zeit? Wie meinen Sie das?“
„Ja, Lothar und Stefan haben Streit bekommen. Es ging ein paar Mal laut her zwischen ihnen. Aber ich konnte nicht herausfinden, weswegen sie sich so gestritten haben. Lothar war aggressiver als früher. Er hatte sich irgendwie ve r ändert.“
„Frau Lessing vom Künstleratelier meinte, dass Lothar Meyer eife r süchtig auf Stefan und seine Kunstwerke war. Vor allem, nachdem darüber in den örtlichen Zeitungen b e richtet wurde. Hatten Sie den Eindruck, dass das der Grund g e wesen sein könnte?“
„Das war schon ein Thema bei ihren Streitereien, aber ich hatte das Gefühl, dass noch etwas anderes dahinter g e steckt hat. Ich habe mit Lothar und auch mit Stefan g e sprochen, aber es war nichts Konkretes aus ihnen herau s zubekommen.“
„Und wie hat sich Selbermann verhalten?“
Gerd Reimers lächelte. „Der hat eines seiner speziellen Gedichte zum besten g e geben. Möchten Sie es hören? Ich habe es aufgeschrieben, weil es mir gut g e fallen hat. Es hängt an der Wand neben seinen Bildern.“ Er las ihr vor:
„Einmal habe ich so geheult, dass sich das Herz rasend aufregen musste. Ich muss geglüht haben wie eine Weihnachtsfichte. Und ei n mal habe ich mich scheckich gelacht, weil die Kramer gesungen hat. Ich konnte mich nicht mehr retten vor lachen. Einen schwebenden Hi m mel finde ich lustig. Und wenn etwas schräg klingt.“
„Es ist unglaublich, wie fantasievoll Selbermann ist“, sagte Katja nachdenklich und musste an die ausdruck s starken Bilder denken, die sie von ihm gesehen hatte. Dabei fielen ihr die gemalten Bilder von Lothar Meyer ein, die ihr Mar i anne Lessing gegeben hatte. Sie musste sie unbedingt an einen Psychologen weitergeben, um sie beurteilen zu la s sen. Auch im Werkstattraum hingen Zeichnungen, von d e nen Katja einige jetzt schon den entsprechenden Künstlern zuordnen konnte. Gerd Reimers war Katjas Blick g e folgt.
„Wenn Sie die Bilder interessieren, ich habe auch noch einige von Lothar und Selbermann bei mir zu Hause. Sie können sie sich gerne mal anschauen.“
Katja schaute ihm ins Gesicht, konnte aber keinen a n züglichen G e sichtsausdruck erkennen.
„Es sind auch Bilder dabei, die Lothar erst in letzter Zeit gemalt hat. Sie wirken anders als die Bilder vorher.“
Jetzt wurde Katja hellhörig.
„Wir haben schon Zeichnungen von ihm. Aber vie l leicht komme ich auf Ihr A n gebot zurück, wenn es nötig sein sollte.“
„Ich mache jetzt Schluss hier, hätten Sie Lust, einen Kaffee mit mir trinken zu gehen? Dann könnten wir uns in einer etwas netteren Umgebung weiter unterhalten.“
Katja zögerte einen
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