Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Kaltherzig

Titel: Kaltherzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
Vom Netzwerk:
dieser Tiere krank wird oder stirbt? Und bevor Sie antworten, sollte ich Ihnen vielleicht verraten, dass jedes von ihnen mehr Geld wert ist, als Sie in fünf Jahren zu Gesicht kriegen.«
    Er war angemessen eingeschüchtert. Mit den Jungen ist es so einfach.
    »Nein, Madam. Aber könnten Sie bitte hier warten, bis ich den verantwortlichen Detective informiert habe?«
    Ich verdrehte die Augen und ging an ihm vorbei. Er hielt mich nicht auf, aber er ging in die Lounge und vermutlich die Treppe hinauf zur Wohnung, wo er Landry von mir erzählen würde. Dem Verantwortlichen.
    Während ich mich daranmachte, den Pferden ihr Abendessen zu geben, versuchte ich so zu tun, als wären die Detectives, Deputys und Spurensicherungsleute nicht da. Wenn
sie nicht da waren, konnte ich mir einreden, dass Irina nicht tot war. Wenn sie nicht da waren, musste ich mich nicht mit Landry auseinandersetzen.
    Er kam nicht aus der Lounge gestürzt. Das war ein gutes Zeichen. Ich ging meiner Beschäftigung nach und kümmerte mich um die jeweiligen Bedürfnisse meiner Schützlinge. Zaubernuss und Alkohol auf Beine, die über Nacht zum Anschwellen neigten, sorgfältig gewickelte Bandagen - nicht zu fest, nicht zu lose. Leichte Decken auf alle Tiere außer Oliver, der es rasend komisch fand, seine teuren, maßgeschneiderten Abdeckungen zu zerfetzen. Ein paar Karotten extra für Arli, wegen seines traumatischen Morgens. Ein paar Karotten extra für Feliki, weil sie die Leitstute war und niemand etwas bekommen durfte, was sie nicht auch bekam, sonst rastete sie in ihrer Box aus.
    Zuletzt ging ich in die Box der neuen Prinzessin im Stall: Coco Chanel. Coco war unglaublich schön, dunkles Schokoladenbraun mit einem Spritzer Weiß auf den Hinterläufen und einer vollkommenen Blesse. Sie hatte die Ohren gespannt aufgestellt und sah mich aus großen, feuchten Augen an, die voller Glück waren, weil ich sie besuchen kam.
    Ich sprach ruhig mit ihr, streichelte ihren Hals, kratzte sie am Widerrist. Sie bog den Hals, beschnupperte meinen Kopf, zerzauste mir das Haar mit ihrer Nase und begann, mir die Schulter zu kratzen. Gegenseitigkeit ohne Fallstricke, ohne Hintergedanken.
    Ich schlang die Arme um ihren Hals, schloss die Augen und drückte meine Wange an sie. Es hatte eine reinigende Wirkung, solch pure Unschuld und solches Vertrauen am Ende dieses Tages zu erfahren. Dieses liebe Pferd war nie misshandelt, es war sein ganzes Leben lang nichts als bewundert
worden. Es kannte keine Gewalt und keinen Hass und wusste nichts von den Perversionen, die die Gemüter der Menschen vergifteten. Ich wünschte, ich hätte dasselbe von mir sagen können.
    »Warst du in der Wohnung?«
    Ich ließ das Pferd los und sah Landry an. Ich fragte mich, wie lange er hier schon stand. Die Vorstellung, er könnte mich sehr lange in einem ungeschützten Moment beobachtet haben, ärgerte mich.
    »Ja«, sagte ich. »Meine Fingerabdrücke dürften noch im Büro des Sheriffs archiviert sein, du brauchst sie also nicht noch einmal zu nehmen.«
    »Du hättest da nicht hinaufgehen sollen«, sagte er ohne jeden Groll. Sein Gesicht war abgezehrt, die Krawatte gelockert.
    »Du solltest mich gut genug kennen«, sagte ich, schlüpfte aus der Box und verriegelte die Tür.
    »Hast du etwas weggenommen?«
    »Natürlich nicht«, sagte ich, als wäre ich schwer gekränkt. »Hältst du mich für einen Idioten? Denkst du, ich
    kenne die Verfahrensregeln nicht?«
    »Ich denke, du gibst einen feuchten Dreck auf Verfahrensregeln. Du hast dich nie darum geschert. Warum solltest du jetzt damit anfangen?«
    »Willst du etwas Bestimmtes von mir?«, fragte ich. »Denn falls nicht, würde ich gern aus diesen stinkenden Klamotten kommen, duschen, mir einen Drink genehmigen und ins Bett gehen. Der heutige Tag reicht mir bis obenhin.«
    Er dachte wahrscheinlich dasselbe. Er arbeitete seit zehn Stunden an der Sache, bestimmt ohne Pause. Und ohne
Mahlzeit, wie ich gewettet hätte. Ein Kaffee nach dem andern, vielleicht ein Donut oder ein Schokoriegel, oder irgendein grässliches Fastfood-Tier auf einem Brötchen, das er mit einer Hand gegessen hatte, während er mit der anderen weiter seine Leute am Fundort der Leiche dirigierte. Und jetzt würde er ins Büro des Sheriffs zurückfahren und mit dem Papierkram beginnen. Er hatte noch eine lange Nacht vor sich.
    Er tat mir nicht leid. Das war sein Job. Irina war für ihn nur eine weitere Tote. Er hat sie gut genug gekannt, um sie zu grüßen, das war alles.

Weitere Kostenlose Bücher