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Kaltherzig

Titel: Kaltherzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
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Unterhaltung, Annehmlichkeiten und Schönheit gefüllt sein sollten. Wo so etwas Hässliches wie
Mord nicht vorkommen durfte. Gewaltverbrechen waren ein Fleck auf dem Gewebe der feinen Gesellschaft wie roter Wein auf weißem Leinen.
    »Letztes Jahr wurde ein Mädchen auf der Reitanlage getötet«, sagte ich. »Bei einer versuchten Vergewaltigung mit dem Gesicht nach unten in einer Pferdebox erstickt.«
    »Tatsächlich? Ich kann mich nicht erinnern, davon gehört zu haben, allerdings lebe ich auch in einer andern Welt. Von dem, was außerhalb der Poloplätze passiert, weiß ich nichts. Denken Sie, die Verbrechen könnten zusammenhängen?«
    »Nein, tun sie nicht«, sagte ich.
    »Sie kannten dieses Mädchen ebenfalls?«
    »Ja, ich kannte sie tatsächlich.« Jill Marone. Eine ekelhafte, schweinsäugige Göre. Eine Lügnerin und Diebin. Ebenfalls Pferdepflegerin.
    Barbaro legte die Stirn in tiefe Falten. »Das ist ein sehr merkwürdiger Zufall.«
    Ich zwang mich zu einem Lächeln, obwohl ich in Gedanken vorübergehend woanders war. »Vielleicht sollten Sie es sich noch einmal überlegen, ob Sie mich kennenlernen wollen.«
    »Das glaube ich nicht, Miss Estes«, sagte er und nahm meine linke Hand sanft in seine. Er hob sie hoch, um meinen nackten Ringfinger genauer zu betrachten.
    Die Band spielte sich wieder ein. Die Pause war vorüber. Barbaro blickte stirnrunzelnd zu den Musikern.
    »Kommen Sie mit«, sagte er und stand von seinem Hocker auf. Er hielt noch immer meine Hand.
    »Das wäre nicht sehr klug von mir«, sagte ich. »Wenn man bedenkt, dass ein Mörder frei herumläuft.«

    »Ich bringe Sie nirgendwo hin, wo es keine Zeugen gibt.«
    Er führte mich in die Halle hinaus und die Treppe hinunter ins Restaurant, wo um halb elf immer noch einige Tische mit Speisenden besetzt waren. Alle erkannten Barbaro. Zweifellos zeigte ihn eine der vielen gerahmten Karikaturen von Polostars an den Wänden.
    Wir gingen hinaus auf die Terrasse. Er flüsterte einem Kellner etwas zu, und der Mann huschte fort.
    »Hier ist es besser, oder?«, sagte er und rückte mir einen Stuhl zurecht. »Dieser ganze Lärm erscheint einem plötzlich sehr unangebracht.«
    »Ja. Es ist irgendwie unwirklich, wenn man andere Leute beobachtet, wie sie sich amüsieren. Mein Unglück berührt sie nicht.«
    »Nein«, sagte er. »Aber sie können nichts für ihre Unwissenheit. Ein fröhlicher Ort ist nicht für Trauernde gedacht.«
    Der Kellner kam mit einer Flasche spanischem Rotwein und zwei Gläsern wieder.
    »Kein argentinischer?«, fragte ich.
    »Nein. Genauso wenig wie ich Argentinier bin. Ich bin Spanier durch und durch.«
    »Interessant in einem Sport, der von Südamerikanern dominiert wird.«
    Er lächelte. »Die Argentinier finden es nicht so interessant. Eingebildete Mistkerle.«
    »Was sie dort wahrscheinlich über alle Spanier sagen.«
    Er grinste. »Davon bin ich überzeugt.«
    Ich trank von dem Wein. Sehr gut. Warm, rauchig, mild, lang und weich im Abgang. »Von wo in Spanien? Aus dem Süden? Andalusien?«

    »Aus dem Norden. Pedraza. Castilla.«
    »Wundervolles Land. Aber nicht gerade ein Polozentrum.«
    »Sie kennen España?«
    »Man hat mich für ein Semester hingeschickt, als ich sechzehn war und meine Familie mit irgendetwas schockiert hatte. Nur kam es meinen Eltern nicht in den Sinn, dass ich mich im Ausland genauso danebenbenehmen könnte.«
    »Und haben Sie es getan?«
    Ich zuckte die Achseln. »Wenn nackt mit einem Diplomatensohn auf der Plaza de Cánovas del Castillo tanzen zählt...«
    Barbaro lachte. »Sie waren bestimmt das Tagesgespräch von Madrid!«
    »Meine vergeudete Jugend.«
    »Und jetzt sind Sie ganz anders?«
    Ich schaute auf ein mondbeschienenes Polofeld hinaus und dachte, dass all das mehr als zwei Menschenleben zurückzuliegen schien und ich kaum mehr den Hauch einer Erinnerung daran besaß, wie es sich angefühlt hatte, so hingebungsvoll und fröhlich rebellisch zu sein.
    »Verzeihen Sie«, sagte er leise und streckte die Hand über den Tisch aus, um seine Hand auf meine zu legen. »Das ist nicht der Abend...«
    »Ich dachte gerade, dass Irina nicht so viel anders war als ich in ihrem Alter. Eigensinnig, überheblich...«
    »Leidenschaftlich, entschlossen«, sagte er. Er zog eine Augenbraue hoch. »Ich vermute, sie war nicht so viel anders, als Sie jetzt sind.«
    »Das stimmt.«

    »Deshalb kamen Sie heute Abend hierher. Auch wenn Sie das schockierende Erlebnis hatten, sie zu finden, auch wenn die Trauer Sie

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