Kaltherzig
eine scheußliche Kneipe in einer scheußlichen Industriegegend von West Palm, ein schäbiger, mit Schindeln verkleideter Bau, der aussah, als hätte er schon vor
zehn Jahren für unbenutzbar erklärt gehört. Der Parkplatz befand sich auf der Rückseite, eine rissige Betonfläche, aus der überall Unkraut spross. Ein von Stacheldraht gekrönter Maschendrahtzaun hielt die Gäste von einer Autoverwertung fern.
Das würde wahrscheinlich eine fruchtlose Übung werden, dachte Landry, als er aus dem Wagen stieg. Der alte Priester hatte diese Kneipe zwar als einen Ort genannt, an dem man Alexi Kulak möglicherweise finden konnte. Die Chance, dass hier jemand mit ihm sprechen würde, war jedoch gering. Die russische Gemeinde hielt fest zusammen und war verschwiegen. Aber irgendwo musste er beginnen.
Er und Weiss hatten beschlossen, für heute Schluss zu machen und morgen frisch anzufangen. Landry sah auf die Uhr. Vierzehn Minuten nach Mitternacht. Es würde schwer genug sein, diese Leute dazu zu bringen, dass sie mit einem Polizisten sprachen, ganz zu schweigen von zwei. Vor allem, wenn einer der beiden Weiss war. Alexi Kulak war eine zu wichtige Spur, als dass sie die Sache verpfuschen durften.
Kulak war mehrmals verhaftet, aber nie verurteilt worden. Man hatte ihm Körperverletzung und versuchten Mord vorgeworfen, aber nichts war je hängen geblieben. Zeugen konnten sich plötzlich nicht recht erinnern. Opfer beschlossen, das Vergangene ruhen zu lassen. Mit diesem Mann wollte sich niemand anlegen.
Landry kannte jemanden, der in der Task Force Organisiertes Verbrechen arbeitete, aber er hatte ihn nicht angerufen. Er hätte möglicherweise ein, zwei Schnipsel Information über Kulak auflesen können, aber die Detectives vom Organisierten Verbrechen waren notorisch paranoid
und selbstsüchtig. Sie waren Monate, Jahre hinter Kriminellen her und versuchten, genügend Material für eine aussichtsreiche Klage zusammenzutragen. Das Letzte, was sie gebrauchen konnten, war, dass ein Blödmann vom Morddezernat daherspaziert kam und ihnen ihre ganze Arbeit versaute.
Landry hatte die grundlegenden Daten über Kulak nachgelesen - wie er aussah, seine Geschichte und so weiter. Pater Chernoff hatte die Information beigesteuert, dass die Autoverwertung hinter Magda’s sein offizielles Unternehmen war. Aber seine letzte bekannte Adresse lag laut Zulassungsstelle mitten im Baby Gap in der Innenstadt, und Landry hatte weder einen Verweis auf eine wirkliche Adresse gefunden, noch war etwas von Verwandten bekannt.
Aber verwandt oder nicht, Kulak hatte Irina nahegestanden. Er hatte ihr einen Job angeboten, einen gut bezahlten. Kriminelle Unternehmungen brachten verdammt viel mehr ein als Pferdemistschaufeln. Das erklärte die kostspielige Garderobe. Es lieferte wahrscheinlich auch ein Motiv, ihr etwas anzutun. Vielleicht, weil sie jemanden reingelegt hatte. Vielleicht, weil es jemand Kulak heimzahlen wollte. Oder Kulak hatte sie selbst getötet, und die Nachricht auf dem Telefon war nur inszeniert, um den Verdacht von ihm abzulenken.
Landry betrat die Kneipe durch den Hintereingang und ging einen schmalen, schwach beleuchteten Flur mit unebenem Boden entlang. Es roch nach Bier und gedünstetem Kohl, und der Rauch war so dick, dass er in seinen Augen brannte und ihm wie eine Faust im Hals steckte. Die Gespräche erstarben, als er den Raum betrat und sich an die
Theke setzte. Die Leute starrten ihn offen an, dann steckten sie die Köpfe zusammen und murmelten auf Russisch.
Er sah den Barkeeper an, einen kräftigen, kahlen Mann mit blauen Tätowierungen auf dem ganzen Schädel. »Wodka. Pur.«
»Was willst du hier, Bulle?«, fragte der Barkeeper.
»Wodka. Pur«, wiederholte Landry. »Du hast doch Wodka, oder?«
»Scheißen Bären in Wälder?«
»Sag du es mir.«
Der Barkeeper lachte laut, schenkte ihm einen Schnaps ein und stellte ihn vor Landry auf den Tresen. Landry kippte ihn hinunter und unterdrückte das Verlangen, das Gesicht zu verziehen und zu würgen. Der Barkeeper schenkte nach, und er wiederholte die Übung auf einen fast leeren Magen.
Der Barkeeper lachte wieder. »Bist du Russe, Bulle? Du trinkst wie ein Russe.«
»Wie kommst du drauf, dass ich ein Bulle bin?«
»Ihr seid alle gleich. Großspuriges Auftreten, polierte Schuhe. Wir haben dir hier nichts zu sagen, Bulle.«
»Du weißt ja noch nicht mal, was ich fragen will.«
»Das spielt keine Rolle.«
»Du willst mir nicht sagen, wo ich Alexi Kulak finden
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