Kaltherzig
gewesen.
Ihr eigener Vater hatte sich gegen sie gewandt, um einen Fall zu gewinnen.
» Warum sollte ich dir trauen, James ?«
Ihr Verlobter stellte sich als Vergewaltiger heraus, und ihr Vater verriet sie, weil es seinen eigenen Zwecken diente.
Warum sollte sie irgendwem trauen?
Es gab keinen Grund.
Sie traute niemandem.
Einschließlich ihm.
26
Er wartete wie vereinbart am Tor zur Siedlung des Palm Beach Point auf mich. Alexi Kulak.
Im Licht meiner Scheinwerfer sah ich ihn neben seinem Wagen stehen. Er hatte sich seit unserer letzten Begegnung zusammengerissen. Er sah ordentlich aus, adrett sogar, in einem maßgeschneiderten braunen Anzug. Er hatte sich rasiert und das Haar gekämmt. Er sah aus wie ein Geschäftsmann, der darauf wartet, dass der Pannendienst seines Automobilclubs auftaucht und einen platten Reifen wechselt. Ungeduldig.
Ich stellte meinen Wagen ab und griff in das Geheimfach in der Fahrertür. Wenigstens war ich dieses Mal besser vorbereitet.
Ich stieg aus und ging auf ihn zu, die Arme am Körper angelegt.
»Mr. Kulak«, sagte ich, nachdem ich knapp außerhalb seiner Reichweite stehen geblieben war.
»Was haben Sie herausgefunden?«, fragte er, ohne sich mit Höflichkeiten aufzuhalten.
»Nichts.«
»Nichts? Erzählen Sie mir nicht, dass Sie nichts haben«, fuhr er mich an.
»Was soll ich dann sagen? Soll ich etwas erfinden?«
»Sie haben ein vorlautes Mundwerk.«
»Dann schmeißen Sie mich halt raus. Ich habe mich um diesen Job nicht beworben.«
Ich hatte meine Scheinwerfer angelassen. Da ich mit dem Rücken zum Licht stand, konnte ich ihn deutlich sehen, aber das Gegenlicht machte es für ihn schwer, mich zu erkennen. Ich sah, dass ihm meine Dreistigkeit nicht gefiel.
»Wissen Sie, wie ich Leute entlasse, Ms. Estes?«, fragte er leise.
»Ein Zweihundertliter-Fass und hundertfünfzig Liter Säure?«
Er lächelte wie ein Haifisch und sah ebenso bedrohlich aus. »Der war nicht schlecht. Vielleicht füge ich es meinem Repertoire hinzu. Möchten Sie die Erste sein?«
»Nein«, sagte ich ruhig. »Möchten Sie herausfinden, wer Irina getötet hat?«
»Ja.«
»Dann lassen Sie mich meine Arbeit machen.«
»Sie haben den halben Tag mit diesen Männern verbracht.«
»Ja. Aber hätte ich die Gruppe vielleicht bei einem
Drink fragen sollen, ob einer von ihnen sie umgebracht hat? Und glauben Sie, dann wäre einer aufgestanden und hätte gesagt: ›Ja, klar, ich hab sie umgebracht. Warum fragen Sie?‹«
Er hatte genug von meinem Mundwerk. Er machte zwei aggressive Schritte nach vorn und hob die Hand, um mich zu packen oder zu schlagen.
Ich zog die 9mm-Pistole hinter dem Rücken aus dem Hosenbund und setzte sie ihm genau zwischen die Augen, was ihn abrupt stehen bleiben ließ.
»Rühren Sie mich verdammt noch mal nicht an«, sagte ich mit völlig verändertem Tonfall.
Mein Zorn ließ ihn einen Schritt zurückweichen und dann noch einen. Ich blieb an ihm dran und ließ den Kontakt zwischen seiner Stirn und dem Lauf der Waffe nicht einen Sekundenbruchteil abreißen. Er wich zurück, bis ihm sein Wagen einen weiteren Rückzug versperrte. Seine Augen waren groß vor Überraschung, Angst oder beidem.
»Sie rühren mich nie wieder an«, erklärte ich, und Adrenalin durchströmte mich wie eine Droge. »Sonst töte ich Sie auf der Stelle. Glauben Sie keinen Moment, dass ich es nicht tun würde. Ich würde Sie töten und mich dann auf Ihren Kadaver stellen und den Mond anheulen.«
Er atmete flach und schnell. Er glaubte nicht, dass ich bluffte. Gut so. Er musste wissen, dass er in diesem sonderbaren Arrangement nicht der einzige unberechenbare Faktor war.
Ich trat einen Schritt zurück und ließ die Waffe sinken. Ein Wagen näherte sich dem Tor. Der Fahrer öffnete es mit der Fernbedienung und fuhr durch, ohne uns auch nur einen neugierigen Blick zuzuwerfen.
»Welchen haben Sie in Verdacht?«, fragte Kulak.
»Ich habe keinen Favoriten, und ich bin keine Hellseherin. Ich brauche eine Spur, einen Zeugen, muss jemanden bei einer Lüge ertappen«, sagte ich. »Wenn Sie eine schnellere Lösung haben wollen, wieso lassen Sie es dann nicht von Ihren Leuten der Reihe nach aus den Typen herausprügeln?«
Er zögerte, sah zur Seite. Merkwürdig, dachte ich.
»Das ist meine Angelegenheit«, sagte er. »Meine ganz persönliche.«
Alexi Kulak war der Boss in seiner Welt. Er bräuchte nur mit den Fingern zu schnippen, und niemand würde Jim Brody, Bennett Walker oder irgendeinen anderen von dem
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