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Kaltherzig

Titel: Kaltherzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
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Geschäft war, das unheimliche Gefühl, das ihn nachts im Leichenschauhaus überkam, hatte er nie ganz abschütteln können. Es war zu still in den Fluren, die Lichter waren zu matt. Kulak ging neben ihm und starrte mit ausdrucksloser Miene geradeaus. Die körperliche Anspannung des Mannes war so stark, dass Landry sie spüren konnte.
    »Sie können den Leichnam per Videokamera betrachten...«, begann er.
    »Nein.«

    »Also gut. Nur, um Sie vorzubereiten, die Leiche Ihrer Nichte lag einige Zeit unter Wasser, und ihr Gesicht ist teilweise... beschädigt... von Fischen und so weiter.«
    Ein Muskel zuckte in Kulaks Kiefer, aber sein Gesichtsausdruck veränderte sich nicht.
    »Der Leichnam wurde gestern Abend obduziert. Sie werden Nähte sehen.«
    Der Kiefermuskel zuckte wieder.
    Der Nachtdienstmitarbeiter führte sie in den kalten Raum mit der Schubladenwand, wo Leichen aufbewahrt wurden wie alte Steuerbescheide. Kulak stand breitbeinig da, die Hände vor dem Körper. Mit einer Augenbinde und einer Zigarette hätte er ausgesehen, als würde er auf ein Erschießungskommando warten. Landry nickte dem Angestellten zu.
    Kulak zuckte beim Anblick von Irina zusammen, als hätte er einen starken Stromschlag bekommen. Er erstickte den Schmerzenslaut in seiner Kehle. Sein ganzer Körper zitterte. Schweiß trat auf seine Stirn. Sein Gesicht war verzerrt.
    Als er die Augen schließlich abwandte, drehte er sich um, und ein wilder, animalischer Schmerzenslaut drang aus seiner Brust. Er sank auf die Knie und vergrub das Gesicht in den Händen.
    Der Mann galt als einer der skrupellosesten Bosse der Russenmafia in Südflorida. Die Dinge, die man Leuten auf seinen Befehl hin angeblich angetan hatte, waren grauenhaft. Er hatte all dies garantiert mit angesehen, ohne mit der Wimper zu zucken. Und dieser Mann saß wie ein Häufchen Elend auf dem Boden und weinte still in seine Hände.
    Selbst Landry musste mit ihm fühlen, so gern er die Welt
in Schwarz und Weiß einteilte. Aber Trauer ist eine Kategorie, die Menschen über alle Grenzen hinweg gemeinsam ist.
    Er trat beiseite und ließ Kulak einige Minuten allein. Als der Russe sich allmählich wieder in den Griff bekam, sagte Landry: »Sie werden sich am Morgen wegen der Begräbnisvorkehrungen melden müssen. Der amtliche Leichenbeschauer wird den Leichnam freigeben, sobald alle Autopsieresultate vorliegen.«
    Sie verließen den Raum, und Kulak setzte sich in einen Lederimitatsessel im Beobachtungsraum. Landry nahm rechts von ihm Platz.
    »Ich habe ein paar Fragen an Sie«, sagte er.
    Kulak beachtete ihn nicht.
    »Wann haben Sie Irina das letzte Mal gesehen?«, drängte Landry.
    Kulak antwortete nicht, er starrte nur niedergeschlagen vor sich hin.
    »Wissen Sie etwas über ihr Privatleben? Können Sie mir etwas über Freundinnen, Freunde sagen?«
    »Ich werde den Mann töten, der ihr das angetan hat«, sagte Kulak leise.
    Landry machte sich nicht die Mühe, ihm zu sagen, dass er dafür ins Gefängnis wandern werde. Wenn er ehrlich war, konnte er es dem Mann nicht verübeln. Wenn er die Welt regieren würde, würde er es genauso einrichten: Dass die Angehörigen des Opfers mit dem Täter in einen Raum gingen und erst herauskamen, wenn sie mit ihm fertig waren.
    »Haben Sie eine Vorstellung, wer dieser Mann sein könnte, Mr. Kulak?«

    Kulak sah ihn mit einem Blick an, der Stahl durchschnitten hätte. »Wenn ich das wüsste, Detective, würde ich ihm in diesem Augenblick das schlagende Herz aus der Brust reißen.«
    Mit diesen Worten stand er auf und ging hinaus.
    Landry hielt ihn nicht auf.

31
    Jeff Cherry war sein ganzes Leben ein armer Schlucker gewesen, bis er den Job als Parkplatzboy im Players bekommen hatte. Er hatte den Job angenommen, weil es ihm vorkam, als würde er Geld für nichts erhalten, und er durfte Autos fahren, von denen er andernfalls nur hätte träumen können. Er hatte aber ziemlich schnell herausgefunden, dass er fünf oder zehn Dollar zusätzlich von gewissen Kunden einstreichen konnte, wenn er genügend herumschleimte, den Damen Komplimente machte, kleine Extras bot, wie die Aschenbecher zu leeren, während die Kunden beim Essen waren.
    Je mehr er auf die Kunden zu achten begann, desto stärker drückten diese ihre Dankbarkeit aus. Eines Abends dann steckte ihm ein Kunde einen Zwanziger zu, damit er wegsah und so tat, als hätte er nicht bemerkt, dass eine gewisse junge Frau - nicht die Ehefrau - mit ihm wegfuhr.
    Als unternehmerisch denkender Mensch hatte sich

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