Kaltherzig
wusste nicht, ob sie in ihrem eigenen Fahrzeug aufgebrochen war oder mit einem der Männer. Ihr Wagen war nirgendwo gesichtet worden.
Es würde helfen, zu wissen, wo die Party nach der Party stattgefunden hatte. Er vermutete, es war in Brodys Haus gewesen, aber für Vermutungen bekam er keinen Durchsuchungsbefehl.
Elenas Anruf vorhin hatte ihn zum Players zurückfahren lassen, wo er die zwei Parkplatzboys befragen wollte, aber einer hatte sich bereits aus dem Staub gemacht, als er dort ankam, und der andere hatte am Samstag nicht gearbeitet. Dieser andere hatte ihm erzählt, dass er Irina Markova mit verschiedenen Herren in deren Autos gesehen hatte, aber diese Information war nicht viel wert.
Er überlegte, was der andere Junge zu sagen haben könnte. Wenn es eine große Enthüllung gewesen wäre, hätte Elena es ihm am Telefon einfach gesagt. Vielleicht glaubte sie, der Junge würde es mit der Angst zu tun bekommen und reden, wenn er ihm Druck machte.
Landry hatte sich Name und Telefonnummer des Jungen geben lassen. Er hatte versucht anzurufen. Ohne Erfolg. Er würde es morgen früh wieder versuchen. Er war überzeugt, dass einer aus Jim Brodys Haufen etwas über den Tod des Mädchens wusste, aber solange nicht jemand bezeugen konnte, dass Irina mit einem Mitglied des selbst ernannten Alibi-Clubs das Players verlassen hatte - oder solange sie nicht später mit einem von ihnen gesehen wurde -, hatte er rein gar nichts in der Hand.
Er war Irinas E-Mails durchgegangen, aber sie waren größtenteils russisch, und er hatte sie hintangestellt, bis er den alten Priester zum Übersetzen holen konnte. Er hatte kurz erwogen, jemanden aus dem Magda’s für die Aufgabe zu rekrutieren, aber er bezweifelte nicht, dass man ihn nach Strich und Faden belügen würde, wenn es sein musste. Falls zufällig ein Russe eine Russin getötet hatte und das Motiv dafür auf Russisch in einer der E-Mails stand, würde es ihm kein Russe verraten.
Er hatte die Telefonlisten des Mädchens überprüft und herausgefunden, dass Irina gern mit Freundinnen telefonierte. Auch nicht gerade eine Offenbarung. Interessanterweise schien sie einen direkten Draht zu einigen der reichsten Männer in Palm Beach und Umgebung zu haben.
Das Mädchen war ganz schön beliebt gewesen für eine Pferdepflegerin.
Landry dachte an die teuren Kleidungsstücke in Irinas
Schrank. Wenn das Geld für die Sachen nicht von ihrem Gangsterfreund Kulak stammte, woher hatte sie es dann? Waren diese Kerle, die sie kannte, nur großzügig, oder waren es Kunden? Hatte sie etwas gegen einen von ihnen in der Hand? Erpressung ergab ein gutes Mordmotiv.
Es gab wahrscheinlich eine Menge, was man gegen Brody und seine Clique in der Hand haben konnte. Männer, die sich als Hobby gegenseitig Alibis gaben, mussten sich das eine oder andere zuschulden kommen lassen.
Er ging noch einmal die Aufzeichnungen durch, die er sich in der Wohnung des Opfers gemacht hatte und in denen alles festgehalten war, was er dort gesehen hatte. Nichts davon war ungewöhnlich. Die übliche Werbepost. Ein paar Rechnungen. Keine expliziten Fotos, etwa von einem nackten Jim Brody in voller S/M-Aufmachung. Ein Gutscheinheft für Bed, Bath & Beyond, eine Rechnung von einer Klinik, das Angebot, einem Fitness-Club beizutreten.
Die Rechnung von der Klinik hätte ebenso gut in Sanskrit verfasst sein können. Man berechnete ihr fünfundsiebzig Dollar für einen alphanumerischen Code.
Landry machte sich eine Notiz, die Klinik am Morgen anzurufen. Er setzte seine Lesebrille ab und rieb sich die Augen. Er war fertig. Zeit, Schluss zu machen, ein bisschen zu schlafen, morgen früh mit frischer Kraft weiterzuarbeiten.
Das Letzte, worauf er jetzt Lust hatte, war, ans Telefon zu gehen.
»Landry.«
»Detective Landry, hier ist ein Mann, der Sie sprechen möchte.«
Das Mädchen vom Empfang.
»Wer ist es?«
»Ein Mr. Kulak. Alexi Kulak.«
30
»Mr. Kulak.« Landry streckte ihm die Hand entgegen. Der Russe schlug ein.
Er war ein sehr gepflegter Mann - tadelloser Anzug, ordentliche Frisur, perfekt gebundene Krawatte.
»Ich bin wegen Irina Markova gekommen, Detective«, sagte er.
»Ich bedauere Ihren Verlust.«
Kulak nickte, und Landry führte ihn zur Tür hinaus. »Wir fahren in meinem Wagen zum Leichenschauhaus hinüber.«
Keiner von beiden sagte ein Wort, während Landry von einem Parkplatz zum andern fuhr. Er läutete an der Tür, und der Wachmann ließ sie ein.
So lange Landry auch schon in diesem
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