Kaltherzig
Sonnenbrillen, den gleichen
Medaillonbändern um den Hals, dem gleichen Lächeln. So glücklich.
Barbaro und ein paar andere Spieler in voller Poloausrüstung, die am Spielfeldrand herumalberten. Bennett Walker, der ein Champagnerglas hob. Bennett auf einem Polopferd. Bennett am Swimmingpool. Ein bisschen zu viele Bilder von Bennett, dachte ich.
Obwohl ich ihm jahrelang körperliche Missbildungen an den Hals gewünscht hatte, musste ich zugeben, dass er sich gut gehalten hatte. Seine Statur war mit zunehmender Reife kräftiger geworden, aber es waren Muskeln, kein Fett. Als männliches Tier hatte er allen Grund zur Überheblichkeit. Welches Weibchen der Art hätte einen solchen Körper nicht gern im Bett gehabt?
Und welche Verführerin, die es auf einen Ehemann abgesehen hatte, würde dieses Aussehen nicht mit dem Geld, das dahinterstand, addieren und ihn zu einem vorrangigen Ziel küren? In Bennetts gesellschaftlicher Umgebung hätte der Umstand, dass er bereits verheiratet war, eine Frau nicht notwendigerweise von einem Versuch abgehalten.
Nach allem, was ich bisher in Erfahrung gebracht hatte, nach dem Bild Irinas, das sich seit zwei Tagen abzuzeichnen begann, musste ich davon ausgehen, dass ein Ehering sie nicht im Mindesten gestört hätte. Die eine Sache, mit der Irina nicht hätte konkurrieren können, war die gesellschaftliche und finanzielle Macht von Bennett Walkers Schwiegereltern.
Bennett war selbst ein sehr reicher Mann, aber nichts lieben reiche Männer mehr als noch mehr Geld. Mehr Geld, mehr Macht. Mehr Macht, mehr Herrschaft über ihre Umgebung.
Ich stand auf und lief hin und her wie eine unruhige Katze, hin und wieder blieb ich stehen, um einen verspannten Muskel zu dehnen.
Wenn Irina zu der Party nach der Party gegangen war, dann im vollen Bewusstsein von deren Natur und der Dinge, die sich dort wahrscheinlich zutragen würden. Man durfte annehmen, dass sie beabsichtigt hatte, bereitwillig mitzuspielen. Wieso war sie dann jetzt tot? Handelte es sich um einen Fall von hartem Sex, der aus dem Ruder gelaufen war? Oder hatte einer dieser Männer sie absichtlich getötet? Warum? Um des Kicks willen? Hatte sie einen von ihnen wütend gemacht? Hatte Jim Brody zur Feier seines Geburtstags ein Mädchen umbringen wollen? War Bennett Walker ausgerastet, hatte er die Kontrolle über sich verloren?
Ich setzte mich wieder an meinen Schreibtisch und machte mir eine Notiz: Motiv?
Was war Bennetts Motiv gewesen, als er Maria Nevin schlug und vergewaltigte? Er hatte keines gehabt. Er hatte sie vor jenem Abend nie gesehen. Es gab keinen Grund, warum er ausgerechnet sie attackierte.
Der Barkeeper des letzten Clubs, den Bennett und seine Freunde besucht hatten, hatte gegenüber der Polizei ausgesagt, Bennett sei betrunken, laut und unangenehm gewesen. Seine Kumpel hätten ihn damit aufgezogen, dass seine Tage als Schürzenjäger gezählt seien, da er nun ja bald heirate, worauf Bennett geantwortet hatte, er könne jede Frau haben, die er wollte und wann er es wollte.
Der Barkeeper hatte diese Aussage vor dem Prozess zurückgezogen und den Rest mindestens so stark verwässert wie die überteuerten Getränke in seiner Bar.
Doch selbst wenn er bei seiner Aussage geblieben wäre, hätte nichts von dem, was an jenem Abend geredet wurde, ein Motiv für einen Mord ergeben.
Maria Nevin hatte der Polizei ursprünglich erzählt - und war bis zu dem Tag, bevor sie in den Zeugenstand musste, bei dieser Version der Ereignisse geblieben -, dass Bennett mit ihr geflirtet hatte. Sie hatten miteinander getanzt, einen Drink zusammen getrunken. Sie waren am Strand spazieren gegangen, hatten sich auf den nassen Sand gesetzt, hatten angefangen zu schmusen.
Da Bennett ein wenig zu betrunken gewesen war, hatte er keine Erektion aufrechterhalten können. Er wurde wütend. Er schlug ihr ein paar Mal hart ins Gesicht. Sie versuchte, von ihm wegzukommen, und kratzte ihn dabei. Er setzte sich auf sie und würgte sie, bekam eine Erektion zustande und vergewaltigte sie.
War Irina dasselbe passiert?
Ich wollte diese Bilder nicht im Kopf haben.
Um mich abzulenken, begann ich, die Papiere zu ordnen, die über meinen Schreibtisch verstreut waren. Irinas E-Mails. Mein Blick fiel auf ein paar Notizen, die ich mir in ihrer Wohnung gemacht hatte. Der Name einer Klinik. Ich gab ihn in eine Suchmaschine ein und erhielt eine Liste von Websites. Ich klickte die erste an, und die Seite öffnete sich auf dem Schirm:
The Lundren
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