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Kaltherzig

Titel: Kaltherzig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tami Hoag Fred Kinzel
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Clinic
    Seit 1987 für Frauen in Palm Beach da
    Geburtshilfe und Gynäkologie
     
    Ich machte mir im Geiste eine Notiz: Motiv.

34
    Als Lisbeth zu Star Polo gefahren war, um sich um die Stelle einer Pferdepflegerin zu bewerben, war sie an Jim Brodys Villa vorbeigekommen, die er für drei, vier Monate im Jahr bewohnte - es war damals ein Zweitwohnsitz gewesen, ein Wochenendhaus -, und sie hatte für sich gedacht, dass sie eines Tages selbst in einem solchen Haus wohnen würde. Ein unglaublich reicher, unglaublich gut aussehender Mann würde sie aus dem Stall holen, und es würde ihr ergehen wie Julia Roberts in Pretty Woman - nur dass sie vorher nicht als Prostituierte arbeiten musste.
    Wie sie sich doch getäuscht hatte.
    Sie hatte die Stelle bekommen, dazu eine Wohnung über den Stallungen, hatte wie im Märchen Zutritt zum Leben der Reichen und Berühmten erhalten. All das war passiert.
    Die Polospieler hatten Gefallen an ihr gefunden, weil sie süß war und eine tolle Figur hatte. Mr. Brody hatte Gefallen an ihr gefunden, und plötzlich wurde sie zu Partys eingeladen und erhielt Aufmerksamkeit von der Sorte Männer, die sie in ihren Träumen erobert hatten. Doch keiner von ihnen hatte sich in sie verliebt, dafür hatte man ihr weiß Gott das Gefühl gegeben, eine Prostituierte zu sein.
    Sie saß mit angezogenen Knien auf ihrem Bett und betrachtete den Ständer mit der teuren Kleidung, die sie dank der Großzügigkeit ihrer reichen Bekannten gekauft hatte. Sie genoss es, hübsch auszusehen. Sie mochte Partys.
    Genau wie Irina.
    Lisbeth schlang die Arme um die Knie und schaukelte
hin und her, als die Tränen kamen. Ihre Augen waren schon fast zugeschwollen vom Weinen. Es schien, als könnte sie nicht mehr aufhören.
    Es war nicht so, dass sie keine anderen Freunde hatte, aber Irina war so stark gewesen, so selbstsicher. Sie war in die Welt der Reichen spaziert, als hätte sie nie etwas anderes gekannt. Lisbeth fühlte sich verloren durch ihre plötzliche Abwesenheit, von ihrem Anker losgeschnitten. Jetzt hatte sie das Gefühl, die Einzige zu sein, die alle Geheimnisse kannte, und das war sehr beängstigend.
    Irina hätte nicht so gedacht. Irina hätte sie ausgelacht. Irina liebte es, zu spielen, nach Macht zu angeln. Lisbeth hatte sie dafür bewundert und es ihr gleichzeitig übel genommen. Für Irina war alles ein Spiel gewesen. Nichts hatte eine Bedeutung gehabt. Lisbeth wünschte, sie könnte ein wenig so sein wie sie.
    Irina wäre diejenige gewesen, die am Ende in einem Haus wie Jim Brodys gewohnt hätte, mit einem Mann wie Bennett Walker, und sie hätte es als etwas angenommen, das ihr zustand.
    Im Gegensatz dazu war Lisbeth überzeugt, dass sie sich immer nur als ein Anhängsel fühlen, immer das Provinzkind aus dem bäuerlichen Mittelwesten bleiben würde. Eine Außenseiterin mit einem Zeh in der Tür.
    Die Uhr bewahrte sie davor, tiefer in ihrem Schmerz zu versinken. Es war Zeit für den Abendrundgang, und heute Abend war sie dran.
    Sie drückte sich einige Minuten lang ein kaltes, nasses Tuch aufs Gesicht, als könnte es tatsächlich helfen. Die Pferde würden bei ihrem Anblick wahrscheinlich ausrasten. Ihr Kopf fühlte sich an wie ein Ballon voll Wasser.

    Die Stallungen waren nachts nur schwach beleuchtet. Der Verwalter legte größten Wert darauf, die Pferde nicht zu erschrecken, wenn sie ruhten. Lisbeth ging von einer Box zur anderen, teilte dünne Lagen Heu aus, überprüfte Beine, rückte Decken zurecht.
    Es war eine friedvolle Arbeit, die sie normalerweise genoss, aber heute war sie nervös und erschöpft und zitterte unkontrollierbar. Sie lief gebeugt wie eine alte Frau den Gang hinauf und wieder zurück.
    Sie fühlte sich schrecklich allein.
    Sie wusste, dass sie sich zusammenreißen musste. Sie dachte daran, Polo Star zu verlassen. Gute Pferdepflegerinnen waren während der Saison immer gefragt. Aber sie traute sich nicht. Sie wollte keine Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Sie wollte nicht, dass Mr. Brody glaubte, sie würde sich gegen ihn wenden.
    Sie versuchte sich vorzustellen, was Irina getan hätte, wenn die Situation andersherum gewesen wäre.
    Irina hätte weitergemacht, als wäre nichts geschehen.
    Mit dieser Erkenntnis ging es Lisbeth nur noch schlechter.
    Nachdem sie mit ihrer Arbeit fertig war, ging sie vor die Scheune und schaute in die Nacht. Sie rieb ihr Medaillon zwischen Daumen und Zeigefinger und hoffte, die Angewohnheit würde sie beruhigen. Der Mond schien auf den Teich, der wie

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