Kaltherzig
wäre kleiner gewesen, wenn sie unmittelbar nach Verlassen des Clubs rechts in den Westeingang zum Polo Club eingebogen wären.
Ich machte mir eine Notiz für Landry: Alkoholkontrolle Polizei?
Der oder die Beamten könnten etwas gesehen haben - Irinas Wagen, Irina im Wagen von jemand anderem. Aber mir würde es niemand erzählen.
Ich wollte wissen, wo im Palm Beach Polo Club Bennett wohnte. Die Unterkünfte in der Siedlung rangierten von Appartements für Pferdepfleger über Eigentumswohnungen, Stadthäuser und Bungalows bis zu ausgewachsenen Herrenhäusern. Bennett würde ein großes Haus haben, weil er es sich leisten konnte, weil es eine gute Investition war, weil er verzogen war und daran gewöhnt, immer nur das Beste zu haben. Weil es Ungestörtheit garantierte.
Falls sich die Party zu Bennett verlagert hatte, waren die Partygänger durch eins der beiden Tore zum Polo Club gefahren, und ihr Kommen und Gehen würde auf Band aufgezeichnet sein. Wozu ich allerdings keinen Zugang hatte. Aber wenn ich sein Haus fand, konnte ich bei seinen Nachbarn nachfragen. Vielleicht würde sich einer über ein Fest Samstagnacht beschweren.
Die Chancen standen nicht schlecht, dass Sean genau wusste, wo sich das Haus befand.
Ich machte mir eine Notiz: Sean - Bennetts Adresse.
Ich ging die Sachen durch, die ich aus Irinas Wohnung mitgenommen hatte. Die E-Mails, die ich von ihrem Computer
ausgedruckt hatte, waren größtenteils auf Russisch. Manche waren Orderbestätigungen für Internetkäufe von Reitausrüstung und tierärztlichem Bedarf, Dinge, die sie wohl in Seans Auftrag bestellt hatte. Ein paar E-Mails waren von Lisbeth Perkins: eine Anfrage, ob Irina mit ein paar anderen Mädchen in eine Karaoke-Bar gehen wollte. Eine, in der es darum ging, wo und wann sie sich am Samstag treffen würden.
Diese E-Mails wirkten so unschuldig angesichts dessen, was in jener Nacht passiert war. Junge Frauen, die ausgehen, um sich zu amüsieren, ohne sich je vorzustellen, was später in der Nacht geschehen sollte.
Wird bestimmt eine tolle Party. Bis dann, ich kann’s kaum erwarten!! Lisbeth hatte die E-Mail mit einer Reihe gelber Smiley-Gesichter signiert.
Für ihr Alter noch sehr unbedarft. Das arme Kind erhielt jetzt eine höllisch harte Erziehung.
Ich dachte an Molly Seabright, die Zwölfjährige, die mich vor einem Jahr gebeten hatte, ihre vermisste Schwester zu suchen. Molly war mir oft erwachsener vorgekommen als ich selbst.
Das Leben nutzt uns alle in verschiedenem Tempo und auf verschiedene Weise ab.
Ich war etwa in Lisbeths Alter gewesen, als mein Leben wahrhaft auf den Kopf gestellt wurde. Das Tragikomische dabei war, dass ich mich damals bereits für zynisch gehalten hatte.
Wir hatten an jenem Abend eigentlich ausgehen wollen, Bennett und ich. Aber mir war nicht ganz wohl gewesen, und ich hatte abgesagt. Er war ungewöhnlich nett gewesen, hatte mir Blumen gebracht, mich aufgeheitert, mich ins
Bett gepackt. Dann war er allein losgezogen, um ein paar Freunde zum Abendessen und zu Drinks zu treffen. Ich war mit dem Gedanken in den Schlaf gesunken, wie unglaublich glücklich ich war, weil ich endlich gefunden hatte, wonach ich mich schon mein ganzes Leben lang sehnte - jemand, der mich wirklich liebte.
Am nächsten Morgen war alles anders.
Ich nahm Irinas Kamera, die ich aus ihrer Wohnung geklaut hatte, schloss sie mit einem USB-Kabel an meinen Computer an und lud alles darauf - zweiundzwanzig Bilder aus ihrem anderen Leben, einschließlich der Fotos, die sie als Bildschirmschoner benutzt hatte.
Partys, Polospiele, Freundinnen am Strand. Einige Bilder zeigten den umwerfend gut aussehenden Barkeeper Kayne Jackson, wie er Martinis schüttelte und Frauen in Aufruhr versetzte.
Big Jim Brody mit Strohhut und Badehose, am Rand eines Swimmingpools eine Zigarre rauchend. Ich hätte alt werden können, ohne das gesehen zu haben.
Brody in derselben Aufmachung mit einem Arm um Lisbeth, die einen purpurroten Bikini trug. Lisbeth gab sich erkennbar Mühe, nicht reflexartig von ihm und seinem großen, behaarten Bauch fortzustreben. Das Lächeln auf ihrem Gesicht hätte ohne Weiteres von Blähungen verursacht sein können.
Jemand hatte ein Foto von Irina und Lisbeth zusammen geschossen, sie saßen Schulter an Schulter, Wange an Wange auf einer Poolliege, beide einen Drink mit Schirmchen in der Hand, mit dem sie dem Fotografen zuprosteten. Sie hätten Schwestern sein können, mit ihren gleichen blonden Haaren, den gleichen
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