Kaltherzig
Luft, um es herauszuhusten. Sie versuchte, den Sack zu fassen, der wie nasser Mörtel auf ihrem Gesicht lag.
Er tauchte sie ein zweites Mal unter. Nachdem er sie wieder an die Oberfläche gezogen hatte, schleifte er sie an Land und ließ sie wie einen Sack Müll auf die Erde fallen.
Lisbeth hustete und würgte und versuchte, das Wasser aus ihren Lungen zu bekommen und es durch Luft zu ersetzen. Das Wasser roch und schmeckte entsetzlich, als stammte es aus einem Abwasserkanal. Es gelang ihr, auf Hände und Knie zu kommen, obwohl ein Teil von ihr einfach aufgeben und liegen bleiben wollte. Die ganze Zeit wirbelten ihr bei aller Angst und Panik Fragen durch den Kopf. Wer tat ihr das an? Würde er sie vergewaltigen? Würde er sie töten? Würde er sie vorher foltern?
Und während der ganzen Zeit sprach der Angreifer kein einziges Wort, was in gewisser Weise beängstigender war, als wenn er sie angeschrien hätte. Es war, als wäre von seiner Seite keinerlei Emotion im Spiel.
Mit schmerzenden Lungen sank Lisbeth auf die Erde, zu schwach, um sich auf Händen und Knien zu halten, geschweige denn aufzustehen und einen Fluchtversuch zu unternehmen. Sie war ihm vollkommen ausgeliefert.
Links von ihr, ein Stück entfernt, stöhnte etwas. Es war kein Mensch, dachte sie. Es stöhnte erneut. Ein Tier. Dann ein lautes Zischen.
O mein Gott.
Ein Alligator.
Lisbeth stemmte sich wieder auf Hände und Knie und begann loszukrabbeln, aber sie konnte nichts sehen, wusste
nicht, in welche Richtung sie sich halten musste, um nicht in noch schlimmere Gefahr zu geraten.
Erneut wurde sie von Panik erfasst. »O mein Gott! O mein Gott!«
Dann wurde sie wie eine Marionette aufgehoben. Ihr Kidnapper legte ihr den Unterarm über den Brustkorb und presste sie an sich. Die Spitze einer Messerklinge drang durch den Sack, ritzte ihr die Wange auf und schlitzte den Stoff auf der rechten Seite auf.
Grelles Scheinwerferlicht blendete sie. Dann schwenkte der Mann sie herum, sodass sie sah, worauf das Scheinwerferlicht fiel - auf ein Stück asphaltierte Straße, das an einer gestreiften Schranke endete; auf das Ufer eines Sumpfes; auf drei Alligatoren, die sich über das Gelände verteilten, zwei am Ufer und einer auf der Straße, der in Richtung des Wagens zischte. Leere Schinkendosen waren über das Ufer verstreut, und Lisbeth erinnerte sich an das laute Platschen, das sie gehört hatte, als sie im Kofferraum lag. Köder.
Ihr Angreifer packte ihr Haar und zog ihr den Kopf nach hinten, während er begann, auf den Alligator auf der Straße zuzugehen. Lisbeth wehrte sich verzweifelt. Er zog stärker an ihrem Haar und rückte weiter auf das Reptil vor.
»Nein! Nein! Nein!«, schrie sie.
Der Alligator riss das Maul auf und zischte.
Ihr Entführer blieb keine fünf Meter vor dem Tier stehen und sprach zum ersten Mal. »So ergeht es Mädchen, die zu viel reden«, flüsterte er ihr ins Ohr.
36
»Wissen Sie, warum ich Sie zu mir gebeten habe?«
Landry biss nicht an.
Weiss grinste höhnisch. »Bekommen wir eine Belobigung?«
Lieutenant William Dugan starrte ihn an. Hochgewachsen, braungebrannt, grauhaarig, war der Chef des Raubund Morddezernats das Bild einer Autoritätsperson. Er stand hinter seinem Schreibtisch und stemmte die Hände in die Hüften.
Weiss warf Landry einen Blick zu. »Wohl eher nicht.« »Im Laufe des heutigen Vormittags«, fuhr Dugan fort, »haben mir bisher der Sheriff und die Hälfte der Politfritzen von Palm Beach County die Hölle heiß gemacht. Dazu die Staatsanwaltschaft von Florida und ein halbes Dutzend Strafverteidiger in Designeranzügen, darunter keine Geringeren als Bert Shapiro und Edward Estes.«
»Estes?« Weiss sah Landry stirnrunzelnd an.
»Halt’s Maul, Weiss«, knurrte Landry.
»Was zum Teufel treibt ihr da draußen?«, fragte Dugan. »Wieso legt ihr euch mit diesen Leuten an?«
»Das sind Verdächtige«, sagte Landry. »Was sollen wir tun? Ihnen gravierte Einladungen schicken, sie möchten sich hierherbegeben und mit uns reden? Vielleicht könnten wir noch ein paar Schnittchen reichen und Tee servieren. Und wenn wir schön bitte sagen, legt vielleicht einer ein Geständnis ab.«
»Ich sage Ihnen, was Sie nicht tun können«, erwiderte Dugan. »Sie können nicht in einen privaten Club platzen
und verlangen, dass diese Leute Ihnen DNA-Proben geben. Was zum Teufel haben Sie sich dabei gedacht?«
» Verlangen ?«, fragte Landry. Er sah Weiss an. »Hast du gestern Abend irgendetwas verlangt von diesen
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