Kaltstart
wie der Durchblicker vom Dienst. Ich fuhr auch einmal während dieses Kalifornien-Urlaubs mit Peter nach Stanford, um mir einen Vortrag über künstliche, computergesteuerte Spracherzeugung anzuhören. Ich verstand von dem Gefasel nur ein Viertel. Dann drückte meine Blase; als ich in dem Institut eine Toilette suchte, wandelte ich an Soundlabors mit Synthesizern und ähnlichem Kram vorbei, der mir ein paar Stockwerke zu hoch war. Ich fand aber keine Toilette, und musste das Gebäude verlassen, um pinkeln zu können. Beim Pinkeln fiel mir die Haltung der Amerikaner zum Thema “Urin in der Öffentlichkeit” ein, und vor allem die der amerikanischen Polizei, auch war mir bewusst, dass amerikanische Universitäten gern einen campuseigenen Sicherheitsdienst oder gar eine regelrechte Universitätspolizei unterhielten, ich pinkelte mich aus Angst beinahe selber voll. Als ich zurückkam, unterhielt sich Peter gerade mit dem künstlichen Spracherzeuger, sie wirkten wie zwei Experten beim Fachsimpeln, und ich fühlte mich fehl am Platz. Es ist ein wenig ungerecht, aber dieser Tag mag einen Schatten geworfen haben auf die Maschine, mit der Peter arbeitete, und an der er mich arbeiten ließ. Darüber hinaus spielte der Mac eine Rolle bei einem Vorfall in der Villa Green, der mir noch heute unangenehm ist. Ich wollte meine Haare in San Francisco violett färben, und der Friseur sagte: “The closest you can get to violet is with this one.” Er drückte mir zwei verdächtige Fläschchen in die Hand, und ich konnte es kaum erwarten, mir den Inhalt in die Haare zu schmieren. Das Zeug stank furchtbar, und es färbte zwar meine Haare nicht violett, sondern rot, aber die Kacheln im Bad der Villa Green sahen nachher aus, als habe jemand einen großen Becher Heidelbeeren darauf zermatscht und nachher nur das Fruchtfleisch abgewischt. Peter, über meine Haarfarbe sehr amüsiert, wies mich sanft darauf hin, dass das Bad zu reinigen sei. Vergrätzt über meine Misserfolg nahm ich die Aufgabe widerwillig in Angriff und entdeckte, wie hartnäckig Haarfärbemittel die Siliconfugen zwischen Badkacheln verfärben können. Es dauerte seine Zeit, bis man nicht auf den ersten Blick merkte, dass hier gefärbt worden war. Als ich fertig war, und meiner Meinung nach ein passables Resultat erzielt hatte, war ich noch schlechter gelaunt als vorher, ich glaubte nämlich, die Hersteller der Farbe hätten den Boden putzen sollen. Ich muss herumgelaufen sein, als habe ich gerade unschuldigerweise zwanzig Jahre in einem Steinbruch verbracht, sei aber aus dieser Tortur wenn auch bitter, so doch ungebeugt hervorgegangen. Peter und seine Freundin Kathy machten sich aus dieser Laune einen Spaß, indem sie sich vor mir niederknieten, sich mehrfach zu Boden warfen, und mir dann einen Wisch in die Hand drückten, auf dem sie ihre tiefe Dankbarkeit für die unendliche Güte bezeugten, mit der ich mich zur Reinigung ihres Bads herabgelassen hatte. Das Ganze war ausgedruckt auf dem ImageWriter II, sah gewohnt hässlich aus, und ich hätte darüber lachen können, aber ich fühlte mich ebenfalls hässlich, nachdem ich es gelesen hatte. Ich verarbeitete den Scherz als Tadel.
Würde mich Steve Jobs fragen, warum ich noch heute keinen Apple Computer benutze, so nennte ich dies als Gründe.
Montauk digital
In “Montauk” beschreibt Max Frisch die Beziehung zu einem Freund, der ihn vom Gymnasium ins Erwachsenenalter begleitet. Dieser Freund, er nennt ihn W., stammt im Gegensatz zu F. aus begütertem Hause, birst vor Talent, und hat obendrein noch die höchst unangenehme Eigenschaft, mit seinen reichen Gaben nicht herumzuprotzen. Gesegnet mit Besitz und Bildung, markiert er nicht den Helden, er ist einfach nur in allem besser als der junge F.: im Tennisspielen und Schwimmen sowieso, von der Kunst und der Literatur ganz einmal abgesehen. Frisch, der die Kennmarken dieser entnervenden Superiorität auf seine unnachahmlich zurückhaltende Weise über den Text verstreut, steigert die Unerträglichkeit dieser Freundschaftsbeziehung dadurch bis zu einem Grad, bei dem man nur noch schreien möchte. Zum Schluss, kurz vor dem Bruch der Freundschaft, trifft jeder Hinweis auf die gesteigerte Humanität dieses Edelmenschen wie ein elektrischer Schlag: “Er sah einfach mehr”, “Im Oktober, wenn das Wasser schon kalt ist, schwamm er über den See, hin und zurück.” “Seine Scheidung war [im Gegensatz zur Scheidung des jungen F.] unvergleichbar.” Gesteigert wird die
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