Kammerflimmern
können?«
»Nein, da kann ich Ihnen leider gar nicht helfen.«
Der Kommissar überlegte einen Moment, ob er die Frau auf den Wanzenfund ansprechen solle, ließ es aber sein.
»Herr Frommert hat uns heute Morgen erzählt, Sie seien seit einer Weile arbeitsunfähig erkrankt. Stimmt das?«
Anna Hohmann senkte den Kopf.
»Ja, das stimmt, und vermutlich werde ich auch nicht mehr an meinen Arbeitsplatz zurückkehren. Ich leide seit sehr vielen Jahren an einer krummen Wirbelsäule, und in den letzten Monaten sind die Schmerzen unerträglich geworden. Ich kann einfach nicht mehr im Sitzen arbeiten. Vermutlich bekomme ich bald Rente.«
»Das tut mir leid. Wie alt sind Sie, wenn ich fragen darf?«
»56.«
»Und Sie haben lange für Herrn Goldberg gearbeitet?«
»Sieben Jahre. Davor für seinen Vorgänger.« In ihrer Stimme schwang Stolz. »Ich bin seit 28 Jahren bei der IHK.«
»Schön.« Lenz sah auf die Uhr. »Ich danke Ihnen ganz herzlich, dass Sie sich die Zeit genommen haben für meine Fragen, auch wenn die Situation unangenehm ist für Sie. Wenn mir noch etwas einfällt, was ich wissen müsste, kann ich Sie anrufen?«
»Sicher.«
Sie nannte ihm eine Kasseler Telefonnummer und stand dann auf. Lenz erhob sich ebenfalls.
»Eine Frage hätte ich noch, Frau Hohmann: Was wollten Sie heute von Ihrem Chef? Gab es einen besonderen Grund für Ihren Besuch?«
Sie schüttelte energisch den Kopf.
»Nein, nein. Ich hatte einen Arzttermin und wollte nur mal guten Tag sagen. Einen besonderen Grund hatte ich nicht.«
Als sie gegangen war, griff der Kommissar zum Telefonhörer.
»Thilo, komm rüber, sie ist weg.«
Eine Minute später betrat sein Kollege mit einer dampfenden Tasse Kaffee in der Hand das Büro. Lenz gab ihm einen kurzen Abriss des Gespräches mit der Frau.
»Wow!«, frohlockte Hain, »schon nach zehn Stunden einen Verdächtigen. Das lässt sich ja gut an.«
»Und weil das so ist, versuchst du jetzt rauszukriegen, wo wir diesen Patzke finden.«
Hain nahm das Telefon vom Schreibtisch und wählte. Zwei Minuten später hatte er die benötigten Informationen.
»Unser Mann heißt Siegfried mit Vornamen. Die Werkstatt ist in der Leipziger Straße und die Meldeadresse im Umbachsweg, also beides in Bettenhausen.«
»Fahren wir«, sagte Lenz.
8
Die Frau hinter dem Vorhang hatte weißblonde Haare und ihre besten Tage hinter sich. Nachdem Hain geklingelt hatte, tauchte ihr Gesicht zuerst am Fenster auf, verschwand wieder und kam dann an der Tür zum Vorschein.
»Was gibt’s?«, fragte sie kurz angebunden. Die Öffnung gab nur den Blick auf ihren Kopf frei.
»Sind Sie Frau Patzke?«
»Carola Patzke, ja. Wer will das wissen?«
Die beiden Kommissare griffen synchron in die Innentaschen ihrer Jacken, zogen ihre Dienstausweise heraus und hielten sie der Frau vor die Nase.
»Die Schmiere! Hat der Siggi wieder was ausgefressen?«
»Ist er zu Hause?«
»Schon länger nich hier gewesen. Was ist denn los?«
»Wann haben Sie ihn zum letzten Mal gesehen?«
Die Frau tat, als würde sie überlegen.
»Schon ’ne Weile her.«
Lenz lagen eine Menge böser Worte auf der Zunge, aber er untersagte ihnen den Weg ins Freie. Stattdessen versuchte er sich in Diplomatie.
»Er hat nichts ausgefressen, zumindest wissen wir nichts davon. Wir haben ein paar Fragen an ihn, als Zeugen.«
»Siggi kann gar nichts bezeugen. Der hatte schon so oft Scherereien mit den Bullen, dass er euch lieber von hinten als von vorne sieht.«
Hain trat ein Stück näher an die Tür.
»Können wir vielleicht reinkommen, es ist ziemlich kalt hier draußen?«
»Habt ihr ’nen roten Schein?«
»Nein, wir haben keinen Durchsuchungsbeschluss«, antwortete der Oberkommissar, »aber wir wollen ja auch nichts durchsuchen.«
Sie sah abwechselnd den einen, dann den anderen Polizisten an und schien zu überlegen, ob sie die Tür würde zuknallen können, bevor Hain einen Fuß dazwischengeschoben hätte.
»Bin gleich wieder da. Muss mir nur was anziehen.«
Damit warf sie die Tür ins Schloss.
Die beiden Kommissare sahen sich irritiert an.
»Meinst du, es gibt hier eine Hintertür?«, fragte Lenz.
Hain antwortete nicht, sondern war mit drei Sätzen um die Hausecke verschwunden.
Kurze Zeit später wurde die Tür wieder geöffnet, und die Frau grinste Lenz an.
»Na, hat der Kollege kalte Füße gekriegt?«
»Nein, der wollte sich mal in Ihrem Garten umsehen.«
Ein kurzer Pfiff des Kommissars, und Hain tauchte wieder auf. Das welke, blonde
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