Kammerflimmern
nicht endgültig beruhigt.
»Und was machen sie hier im Büro von Herrn Goldberg? Hat er was verbrochen?«
Lenz sah Hain an. Der zuckte kaum merklich mit den Schultern. Offenbar hatte sich die Nachricht vom Tod des Justiziars noch nicht im Haus verbreitet.
»Hätten Sie einen Moment Zeit für uns, Frau Hohmann? Wir würden uns gerne kurz mit Ihnen unterhalten.«
»Zeit habe ich schon, aber sagen Sie mir doch zunächst einmal, warum Sie hier sind.«
»Lassen Sie uns hinübergehen ins Präsidium, dort können wir in Ruhe reden.«
Anna Hohmann nahm ihre Handtasche vor die Brust und sah den Kommissar unsicher an.
»Wenn es sein muss, begleite ich Sie natürlich aufs Präsidium. Aber ich möchte keine Scherereien bekommen.«
»Sie werden keine Schwierigkeiten bekommen, das versichere ich Ihnen«, sagte Lenz und ging langsam Richtung Tür. Er drehte sich dabei kurz um und verabschiedete sich mit einem Kopfnicken von Hain und den Kollegen der Spurensicherung.
7
Zehn Minuten später saßen Lenz und die Frau im Büro des Kommissars. Sie weinte hemmungslos, seit sie von Goldbergs Tod erfahren hatte.
»Das habe ich kommen sehen«, schluchzte sie.
»Wie meinen Sie das?«, fragte er vorsichtig.
Sie wollte etwas sagen, bekam aber außer weiterem Schluchzen nichts heraus.
»Patzke. Das war bestimmt dieser Patzke.«
Lenz schrieb den Namen auf einen Zettel.
»Wie kommen Sie darauf, dass der Mann etwas mit dem Tod von Herrn Goldberg zu tun haben könnte?«
Wieder musste der Kommissar endlose Sekunden warten. Sie zog ein Taschentuch aus der Manteltasche, schnäuzte sich verhalten und wischte ein paar Mal unter der Nase entlang. Dabei fiel Lenz auf, dass ihr die Kuppe des linken kleinen Fingers fehlte.
»Er hat ihm gedroht, ganz offen, in seinem Büro. Ich habe es selbst gehört.«
»Wer ist dieser Patzke?«
»Ein Autohändler. Nein, eigentlich hat er eine kleine Werkstatt, aber manchmal möbelt er alte Autos auf und verkauft sie dann. Und ganz selten wohl auch mal einen Neuwagen, wie in diesem Fall«
»Und mit dem hatte Ihr Chef Ärger?«
Anna Hohmann wischte sich eine letzte Träne aus dem Auge, nahm das Taschentuch in beide Hände und verschränkte sie in ihrem Schoß.
»Ja, ganz großen Ärger. Angeblich hatte Herr Goldberg ihn falsch beraten. Es ging um eine neue Kennzeichnung wegen der Schadstoffwerte.«
Lenz verstand nur Bahnhof.
»Also, wenn ein Händler einen Wagen verkauft, muss er seit einiger Zeit in der Verkaufsofferte die Schadstoffwerte angeben. Wenn er das nicht macht, muss er eine Strafe bezahlen. Wie es genau gekommen ist, weiß ich nicht, aber dieser Patzke musste die Strafe bezahlen. 10.000 Euro. Und er machte den Herrn Goldberg dafür verantwortlich, weil der ihn angeblich falsch beraten hatte.«
»Hat Herr Goldberg mit Ihnen über die Sache gesprochen?«
»Ich habe natürlich mit angehört, wie Patzke Herrn Goldberg in dessen Büro bedrängt und bedroht hat.«
»Wann war das?«
»Vor ein paar Monaten. Er erschien eines Morgens sehr aufgebracht und warf Herrn Goldberg vor für seine Pleite verantwortlich zu sein. Er werde demnächst wohl zum Amtsgericht gehen müssen und Insolvenz anmelden, sagte er und forderte meinen Chef auf, ihn zu begleiten und dort zu erzählen, dass er die Schuld an seiner Misere trägt.«
»Wie hat Herr Goldberg sich verhalten?«
»Er wollte nicht mit Patzke reden, aber der wurde fast handgreiflich. Dann ist mir die Sache unheimlich geworden, und ich habe die Polizei gerufen.«
»Wie ging es weiter?«
»Patzke wurde abgeführt. Von da an habe ich nie mehr etwas von ihm gehört.«
Sie fing erneut an zu schluchzen.
»Hatte Herr Goldberg öfter solche Auseinandersetzungen mit Kunden?«
»Nein, nie. Die meisten unserer Kunden sind ja auch gar nicht bis zu ihm vorgedrungen, sondern wurden von den Sachbearbeitern beraten. Herr Goldberg hat sich im Prinzip nur um die großen Sachen gekümmert. Viel Internationales war dabei.«
»Und bei Patzke war das anders? Der stand in direktem Kontakt mit dem Justiziar?«
»Ja, aber fragen Sie mich nicht, warum. Es wäre sicher besser gewesen, wenn sich ein Sachbearbeiter um ihn gekümmert hätte, dann wäre Herr Goldberg jetzt vielleicht noch am Leben.«
»Mag sein, Frau Hohmann, aber unter Umständen gibt es auch eine ganz andere Erklärung für das Verbrechen an Ihrem Chef. Wir werden zwar Herrn Patzke jetzt zu allererst befragen, gehen natürlich noch vielen weiteren Spuren nach. Wissen Sie, wo wir den Mann finden
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