Kammerflimmern
Gift sah mitleidig auf seine nassen Schuhe und ging ins Haus.
»Danke für euer Vertrauen«, murmelte sie dabei, »aber der Siggi ist wirklich nich hier.«
Dann saßen sie in der völlig überheizten Küche. Lenz hatte schon auf dem Flur den Eindruck gewonnen, dass in dem Haus eine Renovierung seit vielen Jahren überfällig war, die Küche allerdings war ein Fall für die Komplettsanierung.
»Hübsch hier«, fing er an.
»Kein Geschwafel, Herr Kriminaler. Was ist los?«
»Sie sind mit Siggi verheiratet?«
»Seit 31 Jahren.«
»Kommt er öfter mal ein paar Tage nicht nach Hause?«
»Eigentlich nicht.«
»Machen Sie sich keine Sorgen?«
»Nee, der is schon groß.«
»Hat er sich zwischendurch mal gemeldet.«
»Nee.«
»Auch ungewöhnlich, oder?«
»Schon.«
Lenz hatte den Eindruck, dass ihr dieses Frage-und-Antwort-Spiel Spaß machte.
»Und wann genau haben Sie ihn nun zuletzt gesehen?«
»Dienstagmorgen. Er wollte ein paar Sachen erledigen. Seitdem ist er nicht wieder aufgetaucht.«
»Was für Sachen?«
»Keine Ahnung. Sachen eben.«
»Kennen Sie einen Wolfgang Goldberg?«
»Nich persönlich.«
»Und unpersönlich?«
»Hat Siggi in die Pleite geschickt.«
So sehr Frau Patzke dieses Spiel zu mögen schien, so sehr ging es Lenz auf die Nerven. Er bedachte Hain mit einem vielsagenden Blick, und sein Kollege ließ sich nicht lange bitten.
»Nun mal Butter bei die Fische, Frau Patzke, sonst müssen wir Sie am Ende noch aufs Präsidium mitnehmen. Was wissen Sie über das Verhältnis zwischen Ihrem Mann und Wolfgang Goldberg?«
»Siggi war sauer auf ihn, das kann ich Ihnen flüstern. Weil er ihn ins offene Messer hat laufen lassen, mit die Autos und so.«
»Ihr Mann hat Herrn Goldberg in dessen Büro aufgesucht. Wissen Sie was davon?«
»Klar, aber das ist doch ewig her. Er hatte zwar irgendwas am Start wegen dem Kerl, aber zu ihm hin wollte er nicht noch mal.«
Sie kramte nach einer Zigarettenschachtel und zündete sich eine an. Lenz streifte über das Nikotinpflaster auf seinem Oberarm.
»Was meinen Sie damit, dass er da irgendwas am Start hatte?«
»Und wenn Sie mir die Beine abhacken, davon hab ich ehrlich keine Ahnung. Er machte da voll auf Geheimnis. Meinte, es sei besser für mich, wenn ich nichts davon wüsste.«
»Ist er am Dienstagmorgen weggegangen und seitdem nicht wiedergekommen?«, fragte Hain.
Sie sah ihn strafend an.
»Nuschel ich, oder was? Hab ich doch vorhin schon gesagt.«
»Sie haben keine Idee, wo er sein könnte?«
»Hm«, druckste sie herum.
»Was hm?«, wollte der Oberkommissar nun mit Nachdruck in der Stimme wissen.
»Er hat da was mit so ’nem Schnittchen. Vielleicht ist er bei ihr.«
»Eine andere Frau?«
Sie zog an der Zigarette, senkte den Kopf und die Stimme.
»Ja, ’ne andere Frau.«
»Wo?«
»In der Stadt. Friedrich-Ebert. Aber fragen Sie mich nicht nach der genauen Adresse, das wäre wohl ein bisschen viel verlangt, oder?«
»Und ihr Name?«
»Roswitha. Mehr weiß ich nicht.«
»Also, Ihr Mann hat ein Verhältnis mit einer Roswitha aus der Friedrich-Ebert-Straße. Und wie lange geht das schon?«
»Einen Monat, vielleicht länger. So genau weiß ich das nicht.«
»Macht Ihr Mann so was öfter?«
»Was?«
»Was mit anderen Frauen anfangen.«
»Manchmal.«
Lenz hatte die Faxen dick. Er stand auf, legte eine Visitenkarte auf den Tisch und ging Richtung Tür.
»Wenn er kommt, soll er sich sofort bei mir melden. Es ist besser für ihn, sagen Sie ihm das.«
Sie antwortete nicht.
»Verstanden?«, hakte er eine Spur zu laut nach.
»Schon klar, Herr Kommissar. Ich werd’s ausrichten.«
»Schreiben wir ihn zur Fahndung aus?«, fragte Hain, als sie wieder im Auto saßen.
Lenz nickte.
»Natürlich. Er hat ein glasklares Motiv und ist seit mehreren Tagen verschwunden.«
Während Hain den Motor anließ und wendete, gab Lenz Patzkes Daten an die Zentrale weiter und bat die Kollegen außerdem, über das Einwohnermeldeamt nach einer Roswitha zu suchen, die vermutlich in der Friedrich-Ebert-Straße wohnte. Dann versuchte er, sich anzuschnallen, was ihm aber erst nach mehreren Anläufen gelang. Er fluchte innerlich und hatte das dringende Bedürfnis nach einer Zigarette.
»Lass uns noch bei seiner ehemaligen Werkstatt vorbeifahren, vielleicht haben wir ja Glück. Es steht zwar nicht zu vermuten, dass er da irgendwo herumhängt, versuchen sollten wir es trotzdem. Außerdem will ich mir das Gelände ansehen.«
Gelände war eine romantische
Weitere Kostenlose Bücher