Kammerflimmern
nichts, aber ich will den Kerl persönlich kennenlernen. Und wir befragen die Familie von Frommert, vielleicht hat er seiner Frau ja irgendwas erzählt.«
Er drehte einen Bissen Nudeln und ließ sie im Mund verschwinden.
»Außerdem müssen wir uns mit dem Chef der IHK unterhalten, wie hieß der gleich noch?«
Hain blätterte ein paar Seiten zurück.
»Roll.«
»Genau. Und Goldbergs Sekretärin, dieser Frau Hohmann, fühlen wir auch noch mal auf den Zahn. Vielleicht weiß sie mehr, als sie mir vorgestern erzählt hat. Und wir brauchen die Phantombilder der beiden Russen von Frau Patzke, auch darum kümmern wir uns heute noch.«
Hain schob seinen Teller zurück und klappte den Block zu.
»Ich liebe diese ruhigen und erholsamen Sonntage.«
Der Hinterhof in der Friedrich-Ebert-Straße sah am Tag noch verwahrloster aus als nachts im Schneesturm. Trotz des kniehoch liegenden Schnees sahen die beiden Polizisten neben den im Hof geparkten Autowracks jede Menge Abfallsäcke und losen Müll, der sich in den Ecken stapelte.
Im Treppenhaus roch es nach Knoblauch und Urin, und von irgendwoher wummerte der Bass eines Hip-Hop-Stückes. Auf der letzten Treppe vor Roswitha Krauss’ Wohnung zog Hain seine Dienstwaffe, entsicherte sie und steckte sie zurück.
»Man kann nie wissen«, murmelte er dabei.
Lenz legte ein Ohr an die Tür, konnte jedoch keine Geräusche aus der Wohnung wahrnehmen. Deshalb trat er zurück und klopfte mehrmals laut. Hinter der Tür blieb es ruhig. Er wartete kurz, dann schlug er mit der Faust gegen das Holz. Wieder kam keine Reaktion.
»Frau Krauss?«
Nachdem eine halbe Minute und zwei weitere Versuche später noch immer niemand geantwortet hatte, sah Lenz seinen Kollegen unsicher an. Der zog die Schultern hoch.
»Frag mich nicht. Wir sind in zehn Sekunden drin, wenn es sein muss, aber vielleicht liegt sie nur im Bett und schläft oder macht sonst was und hat keine Lust auf die Bullen. Dann reißt uns Ludger den Kopf vom Hals.«
Lenz trat unsicher von einem Bein aufs andere und überlegte.
»Du hast recht. Es gibt Ärger, wenn sie drin ist. Doch wir gehen trotzdem rein. Ich halt die Rübe hin, wenn es schiefgeht.«
Hain zog die Augenbrauen hoch, nahm sein Werkzeug aus der Jacke, öffnete vorsichtig das Schloss und schob die Tür nach innen. Dann zog er wieder seine Waffe und bewegte sich langsam in den Flur. Lenz blieb einen Meter hinter ihm.
»Frau Krauss?«, rief Hain in die Wohnung. Als keine Antwort kam, schnellte er mit dem Kopf nach vorne, blickte kurz in die Küche, zog den Kopf wieder zurück und gab Lenz zu verstehen, dass von dort keine Gefahr drohte. Der Hauptkommissar drängte sich an ihm vorbei und spähte vorsichtig in den Raum. Außer ein paar leeren Kaffeetassen, die vermutlich schon länger auf dem Tisch standen, gab es dort nichts zu sehen, also ging er weiter und öffnete vorsichtig die verglaste Wohnzimmertür.
»Frau Krauss, hallo?«
Ein lautes Geräusch ließ ihn zusammenzucken, und noch bevor ihm wirklich klar war, was er gehört hatte, fuhr seine rechte Hand in die Jacke, zog das klingelnde und vibrierende Mobiltelefon aus der Tasche, wies das Gespräch ab und schaltete das Gerät aus. Hinter ihm atmete Hain deutlich hörbar durch.
»Mensch, Paule …«
Lenz steckte das Telefon weg, ging vorsichtig einen Schritt nach vorne und sah sich im Wohnzimmer der Frau um.
»Sauber«, ließ er seinen Kollegen wissen, nachdem er sicher war, dass sich auch dort niemand aufhielt, drehte sich um und nahm Kurs auf das Bad. Hier gab es in der Tür eine kleine Milchglasscheibe, durch die er erkennen konnte, dass es dahinter dunkel war. Langsam drückte er die Klinke nach unten, öffnete behutsam die Tür und versuchte, etwas zu erkennen.
»Oh, Scheiße!«, schrie er auf, sprang vorwärts, rutschte auf einem am Boden liegenden Badetuch aus und riss das leblose Bündel, das von der Decke hing, herunter. Zusammen mit dem Duschvorhang, der dazugehörigen Stange und dem Bademantel, der daran aufgehängt war, flog er krachend über den Badewannenrand und blieb fluchend unter dem Bündel Stoff liegen. Hain, der noch in der Tür stand, knipste das Licht an und betrachtete mit sichtbarem Vergnügen die Situation, sagte aber nichts. Lenz lag mit hochrotem Kopf wie ein Maikäfer auf dem Rücken und strampelte mit den Füßen.
»Hör auf, so dämlich zu grinsen und hilf mir lieber hoch«, fluchte der Hauptkommissar ärgerlich.
Hain allerdings konnte sich nun nicht mehr halten,
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