Kammerflimmern
Öffentlichkeitsarbeit freundlich zu.
»Sie hatten recht, scheint wirklich ein ganz wichtiger Termin gewesen zu sein, den Herr Blochin wahrnehmen musste. Freundlicherweise hat er sich doch einen kurzen Moment für unser Anliegen Zeit genommen. Vielen Dank dafür, Frau Hollerbach, und auf Wiedersehen.«
17
»Mein lieber Mann, als ich die beiden Kleiderschränke hinter der Tür gesehen hab, ist mir richtig schlecht geworden, Thilo.«
Die beiden saßen in Hains Büro im Präsidium. Lenz streichelte seit zehn Minuten intensiv das Nikotinpflaster auf seinem Oberarm.
»Und mir erst. Aber da war sowieso schon alles zu spät.«
Der Hauptkommissar sah seine immer noch zitternden Hände an.
»Warum hast du denn nicht gesagt, was du vorhast?«
»Weil wir es dann nicht gemacht hätten. Du hättest dieser Nummer nie zugestimmt.«
»Worauf du dich verlassen kannst, Junge. Und ich bin nicht sicher, ob wir damit Erfolg haben werden.«
»Darauf kannst du dich jetzt verlassen, Paul. Der nette Herr Blochin wird gar nichts unternehmen.«
»Was macht dich da so sicher?«
»Sein Gesicht. Ich habe sein Gesicht gesehen. Das ist einer, der es gewohnt ist, dass alles immer so läuft, wie er es will, und der immer die Spielregeln festlegt. Es hat ihm unheimlich gestunken, als ich da vor ihm gestanden hab und er nach meinen Regeln spielen musste.«
Der Oberkommissar zog die Schultern hoch.
»Vielleicht glaubt er wirklich nicht, dass wir einen Mitschnitt haben, aber er wird es nicht darauf anlegen; davon bin ich überzeugt, weil er viel mehr zu verlieren hat als wir.«
»Das wäre schön.«
Lenz hörte das Klingeln des Telefons auf seinem Schreibtisch im Zimmer nebenan, erhob sich, ging hinüber, schob die Tür hinter sich zu und nahm den Hörer ab.
»Lenz.«
»KTI beim BKA Wiesbaden, Weingarten, guten Tag. Spreche ich mit Hauptkommissar Lenz?«
»Ja, richtig. Hier ist Hauptkommissar Lenz.«
»Schön. Ich rufe an wegen eines Projektils, das uns heute Morgen zur Untersuchung zugegangen ist.«
»Zum BKA? Es tut mir leid, aber wir haben kein Projektil zum BKA geschickt.«
»Ich weiß. Die Gerichtsmedizin hat es zum LKA geschickt, doch bei denen ist ein geregelter Betrieb wegen des Umbaus im Moment nicht möglich, deswegen haben die Kollegen das Projektil direkt an uns weitergeleitet.«
Lenz erinnerte sich, irgendwo darüber gelesen zu haben, dass die Kriminaltechnik des LKA zurzeit vergrößert und modernisiert wurde.
»Und was haben Ihre Untersuchungen ergeben, Herr …?«
»Weingarten. Klaus Weingarten. Nun ja, interessante Ermittlungsergebnisse würde ich sagen. Natürlich bekommen Sie noch einen detaillierten Bericht, doch die Sache ist so brisant, dass ich Sie gleich darüber informieren wollte.«
Lenz sagte nichts und wartete.
»Also, wie gesagt, es geht um das Projektil in der Tötungssache Patzke. Sie wissen, wovon ich spreche?«
Lenz beschlich der Verdacht, Herr Weingarten arbeitete an einem Drehbuch und übte sich darin, die Spannung ins Unermessliche zu steigern.
»Weiß ich, Herr Weingarten.«
»Sie können sich ja glücklich schätzen, dass wir vom BKA das besagte Objekt in die Finger bekommen haben, sonst wäre die Übereinstimmung erst in ein paar Tagen offensichtlich geworden, wenn die Kollegen vom LKA die Daten zum Routineabgleich herübergeschickt hätten.«
Übereinstimmung? Nun wurde Lenz doch neugierig.
»Von welcher Übereinstimmung sprechen Sie?«
»Auf das Opfer wurde mit einer Waffe geschossen, die im Zusammenhang mit einem Doppelmord bei Ihnen da oben schon einmal benutzt wurde, Herr Lenz.«
›W E L C H E M D O P P E L M O R D?‹, hätte Lenz am liebsten in den Hörer gebrüllt.
»Interessant. Von welchem Doppelmord sprechen Sie, Herr Weingarten?«, flötete er stattdessen.
»Moment, ich muss gerade mal die Akte ziehen.«
Lenz hörte, wie der Hörer abgelegt wurde und Papier raschelte.
»Hier habe ich es. Im Mai diesen Jahres wurde in Baunatal bei Kassel ein Ehepaar erschossen. Doppelmord.«
Ach, dachte Lenz, aber ihm war sofort klar, von welchem Doppelmord der gute Herr Weingarten sprach.
»Die Hainmöllers«, dachte er laut.
»Nein, nicht ganz, Herr Lenz. Johannes und Hedwig Hainmüller.«
Er zog den Umlaut extrem in die Länge.
»Stimmt, Herr Weingarten, Hainmüller.«
Auch er ließ sich nun bei der Umlautbetonung nicht lumpen, aber trotzdem arbeitete sein Gehirn fieberhaft. Der ungeklärte Mord an den Hainmüllers lag mehr als sechs Monate zurück und hatte bis zu diesem
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