Kammerflimmern
Moment mit den Geschehnissen um den IHK-Justiziar und Siegfried Patzke nicht das Geringste zu tun.
»Kein Zweifel möglich?«
»100 Prozent Übereinstimmung. Alle Projektile sind beim Eintritt in die Körper nur marginal verformt worden, deshalb ist die Untersuchung ein Kinderspiel gewesen. Mit absoluter Sicherheit handelt es sich um ein und dieselbe Waffe, eine 9-Millimeter-Makarov.«
Nun fielen Lenz wieder die Details aus dem Bericht der Kriminaltechniker ein.
»Eine Makarov!«, rief er wie elektrisiert. »Aus Russland!«
Am anderen Ende war für einen Moment Schweigen. Dann räusperte Weingarten sich.
»Nein, nicht zwangsläufig. Die Makarov wird zwar noch immer in Russland gefertigt, aber natürlich nicht nur dort. Sie wird zum Beispiel auch bei uns in Deutschland gebaut, in Suhl, oder in Bulgarien. Und in China.«
»Ja, schon klar, Herr Weingarten.«
»Interessanter ist für Sie bestimmt die Tatsache, dass in den beiden Fällen unterschiedliche Munitionen verwendet wurde. Die Hainmüllers wurden mit tschechischer Munition vom Typ ›Sellier&Bellot‹ getötet, wohingegen Patzke mit russischer aus der Fabrik Tula erschossen wurde.« Er machte eine kurze Pause.
»Wie ich Ihnen schon gesagt hatte, die Details finden Sie alle in dem Bericht, den ich Ihnen zuschicke. Und falls Sie bis zum Eintreffen Fragen haben, können Sie mich einfach anrufen, es wird nämlich sicher eine Woche dauern.«
Lenz dachte einen Moment nach, hatte für den Moment allerdings keine Fragen mehr an den Kriminaltechniker.
»Dann danke ich Ihnen dafür, dass Sie mich so schnell über das Ergebnis der Untersuchung informiert haben, Herr Weingarten.«
Er verabschiedete sich, legte den Hörer zurück, die Füße auf die Schreibtischkante und kramte in seinem Gedächtnis nach den Details im Fall der Familie Hainmüller.
Zusammen mit Hain war er zur Wohnung der beiden nach Baunatal gefahren, um Johannes Hainmüller als Zeugen wegen einer Mordserie zu vernehmen, die Kassel seinerzeit in Aufregung versetzt hatte. Was sie dann gefunden hatten, waren die Leichen der beiden inmitten ihrer Mietwohnungsidylle gewesen, aus kürzester Entfernung brutal hingerichtet.
Alle Ermittlungen waren ohne Ergebnis geblieben, und nachdem einige Wochen vergangen waren, wurde die Sache zwar nicht ad acta gelegt, aber doch mit gebremstem Einsatz weiterverfolgt.
Und nun tauchten die beiden wieder auf, in einem ganz anderen Fall.
Er ging zur Tür und rief nach seinem Kollegen.
»Thilo, komm doch mal rüber.«
»Sofort«, tönte es erschrocken von nebenan, und ein paar Sekunden später stand ein verpennt aussehender Hain vor ihm.
»Mir sind die Augen zugefallen, ganz schlagartig. Das muss die Erregung gewesen sein«, erklärte er entschuldigend.
»Mir musst du so was nicht klarmachen, Thilo, ich kenn das. Setz dich und halt dich fest, jetzt wird es nämlich richtig spannend bei uns.«
Dann erläuterte er dem jungen Oberkommissar, was der Kriminaltechniker ihm eröffnet hatte. Hain hörte mit immer größer werdenden Augen zu. Als Lenz fertig war, schüttelte er noch immer ungläubig den Kopf.
»Was um alles in der Welt haben Hedwig und Johannes Hainmüller mit Wolfgang Goldberg und Siegfried Patzke zu tun?«
»Eine 9-Millimeter-Makarov«, antwortete Lenz.
»Aber das ergibt doch überhaupt keinen Sinn, Paul. Die sind vor einem halben Jahr umgebracht worden, ohne erkennbares Motiv und jeglichen Zusammenhang mit der aktuellen Geschichte, zumindest bis heute. Kann es nicht sein, dass die Kriminaltechnik sich einfach irrt?«
Lenz schob das Telefon auf dem Schreibtisch in seine Richtung.
»Ruf den guten Herrn Weingarten noch mal an und teil ihm deine Zweifel persönlich mit. Nachdem ich ihn auch schon danach gefragt habe, wird er sicher vor Begeisterung an die Decke springen.«
»Nee, lass mal, ich hab ja nur gemeint«, entgegnete Hain kleinlaut.
»Gehen wir also davon aus, dass die Jungs in Wiesbaden richtig liegen. Das heißt, wir werden unsere Ermittlungen in eine weitere Richtung lenken, nämlich die der Hainmüllers. Was immer sie mit der aktuellen Geschichte zu tun haben, wir müssen es herausfinden.«
»Und wenn es zwei verschiedene Täter waren, die aus irgendeinem Grund die gleiche Waffe benutzt haben?«
»Dann sollten wir besser auch das herausfinden, Thilo.«
Zwei Stunden später waren alle Mitglieder der SoKo ›Reinhardswald‹ über den Besuch der beiden Kommissare bei Blochin und die Erkenntnisse des BKA informiert. Ludger
Weitere Kostenlose Bücher