Kammerflimmern
doch Lenz winkte ab.
»Lass mal, Thilo«, sagte er leise, drehte sich um und betrat Rolls Büro. Dort wartete die nächste Überraschung auf die Polizisten, denn hinter der Tür saß in einem schweren Ledersessel Oberbürgermeister Erich Zeislinger und sah ihn vorwurfsvoll an.
»So geht das aber nicht, Herr Kommissar Lenz. Ich habe Ihnen gestern am Telefon schon gesagt, dass Herr Blochin ein ganz und gar untadeliger und sehr honoriger Mitbürger unserer Stadt ist. Sie können nicht so mit ihm reden.«
»Ganz meine Meinung, Herr Lenz. Das war jetzt unterste Schublade. Was wollen Sie überhaupt schon wieder hier?«
Roll, der in einem Sessel neben Zeislinger gesessen hatte, war aufgesprungen. Lenz sah den Oberbürgermeister einen Augenblick lang stumm an und fragte sich, was die vier wohl besprochen hatten. Dann baute er sich vor Roll auf.
»Falls Sie es vergessen haben sollten, Herr Dr. Roll, wir ermitteln in einer Mordsache, die zwei Ihrer Mitarbeiter betrifft. Oder möglicherweise sogar noch mehr.«
Roll riss die Augen auf.
»Wie? Warum? Wieso noch mehr?«
Lenz holte tief Luft, bevor er weitersprach.
»Sagt Ihnen der Name Hedwig Hainmüller etwas, Herr Dr. Roll?«
Lenz glaubte, dass dem Geschäftsführer bei der Erwähnung des Namens ein ganz leichtes Zucken um den Mundwinkel anzusehen war.
»Nein, tut mir leid, den Namen habe ich nie gehört.«
»Die Dame hat bis zu ihrem Tod im letzten Sommer hier bei Ihnen gearbeitet.«
Nun wurde Roll wieder sicherer.
»Aber Herr Lenz. Sie glauben doch nicht, dass ich alle Mitarbeiter hier im Haus persönlich kenne? Nein, beim besten Willen, das ist nicht möglich. Was soll die Dame denn bei uns gemacht haben?«
»Das wollte ich eigentlich von Ihnen erfahren. Sie hat auf 400-Euro-Basis hier gearbeitet.«
»Wir haben viele 400-Euro-Kräfte bei uns. Aber an eine Frau …?«
»Hainmüller«, half der Kommissar ihm weiter.
»... Hainmüller kann ich mich leider nicht erinnern. Vielleicht war sie über eine Fremdfirma für uns tätig.«
Lenz unterließ es, nach diesem hingeworfenen Knochen zu schnappen, weil er wusste, dass Roll log.
»Aber das können Sie alles morgen mit unserer Personalabteilung besprechen. Dort wird man Ihnen sicher gerne weiterhelfen, Herr Hauptkommissar.«
»Und ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich mich wirklich freuen würde, wenn Sie Herrn Blochin mit etwas mehr Respekt begegnen würden, nicht«, mischte Zeislinger sich wieder ein. »Es ist kein gutes Renommee für unsere Stadt, wenn so mit ihren Leistungsträgern umgegangen wird. Darüber sollten Sie einmal nachdenken, Herr Lenz.«
Weil der Kommissar den Eindruck hatte, dass die beiden das Gespräch als beendet ansahen, trat er einen Schritt zurück und blickte zuerst den einen und dann den anderen an.
»Gestatten Sie mir zum Abschluss die Frage, was Sie beide mit dem honorigen Herrn Blochin zu besprechen hatten?«
Roll holte tief Luft und wollte zu einer Tirade ansetzen, doch Zeislinger legte ihm beruhigend die Hand auf den Arm.
»Wir hatten ein sehr fruchtbares Gespräch über die Ausstattung der Rathausmannschaft mit Trikots«, erklärte er den Polizisten. »Herr Blochin ist bereit, unsere Fußballer zu unterstützen.«
Lenz und Hain sahen sich ungläubig an.
»Sie schreien sich an wegen Fußballtrikots?«
»Bitte, Herr Kommissar, niemand hat geschrien. Ich habe keine Ahnung, was Sie gehört haben, nicht, aber wir haben in sehr sachlicher und freundschaftlicher Atmosphäre diskutiert und sind auch schnell zu einer Einigung gekommen.«
In diesem Moment meldete Lenz’ Mobiltelefon den Eingang einer SMS. Er kümmerte sich nicht darum.
»Und jetzt haben Ihre Rathauskicker neue Fußballtrikots?«, resümierte er kopfschüttelnd.
»Ganz richtig«, antwortete Zeislinger.
»Die ganze Sache stinkt gewaltig, Thilo.«
Die beiden saßen in einem Schnellrestaurant am Bahnhof und sahen durch die angelaufene Scheibe dem Tanz der Schneeflocken zu. Lenz hatte ein Mineralwasser vor sich stehen und strich hektisch über sein Nikotinpflaster.
»Meinst du, Zeislinger hängt da irgendwie mit drin?«, fragte Hain.
»Keine Ahnung«, erwiderte Lenz, ließ jedoch unerwähnt, dass es ihm nichts ausmachen würde, den OB für ein paar Jahre ins Gefängnis zu bringen.
»Das war schon eine illustre Truppe, die sich da versammelt hatte. Blochin und Roll haben Dreck am Stecken, davon bin ich überzeugt, allerdings haben wir noch keinen Hinweis auf ein Motiv. Und Zeislinger? Dass er etwas mit den
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