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Kammerflimmern

Kammerflimmern

Titel: Kammerflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gibert
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dadurch zum Anhalten. Lenz blieb keuchend stehen und wollte seinem Gegenüber ins Gesicht sehen, konnte jedoch wegen der Dunkelheit und des Hutes, den der Mann trug, nichts erkennen. Die beiden hatten einen perfekten Ort gewählt für das, was sie vorhatten, denn der Kommissar befand sich in der Mitte zwischen zwei Bogenlampen, von denen eine rhythmisch zuckte. Er drehte vorsichtig den Kopf und warf einen Blick nach hinten, doch auch der zweite Mann verbarg sein Gesicht unter einem tief sitzenden Hut. Keiner der beiden sagte etwas. Sie standen da, jeder etwa zwei Meter entfernt, hielten die Hände in den Manteltaschen verborgen und taxierten Lenz, durch dessen Kopf Furcht, Panik, Fluchttrieb und Wut galoppierten. Er hechelte noch immer, stellte sich nun jedoch seitlich zu den beiden auf.
    »Was wollen Sie von mir?«, presste er hervor, blickte dabei zwischen den beiden hin und her und versuchte, sich seine Angst nicht anmerken zu lassen. Keine Reaktion. Weder der links stehende, kleinere, noch der auf der anderen Seite verharrende, große Mann rührte sich. Sie standen einfach da und sahen ihn an. Lenz atmete immer schneller und hatte das Gefühl, kurz vor der Hyperventilation zu stehen.
    In diesem Moment zog der Mann rechts von ihm etwas Großes, Dunkles aus der Manteltasche, nahm es hoch und zielte damit auf Lenz. Der Kommissar schluckte, sah auf die Pistole, riss die Augen auf und wollte etwas rufen, doch seine Kehle war wie zugeschnürt. Die Waffe bewegte sich ein paar Mal nach rechts und wieder zurück, bis Lenz verstanden hatte, dass der Mann von ihm verlangte, sich vor die Hecke zu stellen, die den Bürgersteig von dem dahinter liegenden Grundstück trennte. Widerwillig gehorchte er, nahm wie in Trance die Arme nach oben und postierte sich mit zitternden Beinen vor dem Buschwerk. Der Kleine trat mit gesenktem Kopf vor ihn, sodass der Kommissar nur die Oberseite des Hutes zu sehen bekam, tastete ihn ab, griff danach mit routinierten Bewegungen in die Jackentaschen, nahm das Mobiltelefon heraus und schleuderte es auf die Straße, wo es sich scheppernd in seine Einzelteile auflöste.
    Der andere, der noch immer die Waffe auf Lenz gerichtet hielt, machte einen eleganten Schritt über den Schneehaufen auf die Fahrbahn, stellte sich etwa drei Meter von Lenz entfernt auf und hob die Pistole so weit an, dass sie direkt auf das Herz des Polizisten zeigte. Dann drückte er ab.
     
    Der Kommissar spürte den Einschlag in der Brust, dann noch einen und einen dritten.
    Es tut nicht einmal weh, dachte er.
    Wie um sich vor weiteren Treffern zu schützen, nahm er die linke Hand hoch und spürte, dass sich Feuchtigkeit auf seiner Jacke ausbreitete.
    Der Schütze steckte die Waffe zurück in die Manteltasche, gab dem anderen mit dem Kopf ein Zeichen, und innerhalb von Sekunden waren sie verschwunden. Während sich ihre knirschenden Schritte in der Dunkelheit verloren, glaubte Lenz ein Lachen zu hören.
    Während er noch immer irritiert auf das Einsetzen des Schmerzes wartete, öffnete er den Reißverschluss der Jacke und tastete seinen Oberkörper ab, konnte allerdings keine Verletzungen feststellen. Nachdem er alle Muskeln einmal angespannt und wieder entspannt hatte, wurde ihm klar, dass der Schütze nicht mit einer schallgedämpften Pistole, sondern mit einer Markierungswaffe auf ihn gefeuert hatte.
     
    In diesem Moment bog in etwa 400 Metern Entfernung ein Wagen in die Wegmannstraße ein. Für einen Moment bekam Lenz Angst bei dem Gedanken, dass die beiden es sich vielleicht anders überlegt hätten und zurückkehren würden, verwarf jedoch die Idee. Wenn sie ihn hätten töten wollen, wäre er schon seit ein paar Minuten nicht mehr am Leben.
    Er drehte dem Auto den Rücken zu, machte ein paar kurze Schritte nach vorne und hoffte, der Fahrer würde keine Notiz von ihm nehmen. Tatsächlich beschleunigte der Wagen, als Lenz von den Scheinwerfern erfasst wurde. Vermutlich fragten sich die Insassen, was ein Mensch, noch dazu ohne Hund, um diese Zeit in dieser einsamen Straße verloren haben könnte. Direkt neben ihm wurden die Überreste seines Telefons von den Reifen der schweren Limousine zermalmt.
    Der Kommissar blieb stehen, setzte sich auf einen Schneehaufen, nahm die Hände vors Gesicht und holte tief Luft. Nun begannen seine Beine immer stärker zu zittern und mit ihnen der ganze Rest seines Körpers. Er schluckte und versuchte, die aufsteigenden Tränen zurückzudrängen, doch es gelang ihm nicht. Ein paar Augenblicke

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