Kammerflimmern
Kopf.
»Nein RW, diese Roswitha war um die 20. Wir haben mit ihr gesprochen.«
Gecks ging auf ihn zu und öffnete erneut die Kladde.
»Hier irrt der Fachmann. Aus dem Melderegister geht eindeutig hervor, dass Roswitha Krauss am 15. Mai 1947 geboren wurde. Vielleicht habt ihr mit ihrer Tochter oder ihrer Enkelin gesprochen?«
Wieder nahm ihm Lenz die Papiere aus der Hand und las. Offensichtlich hatte Gecks recht. Die in der Wohnung gemeldete Frau hatte sich mit einem deutschen Personalausweis angemeldet, war 60 Jahre alt, in der ehemaligen Sowjetunion geboren und konnte unmöglich die Frau sein, mit der die beiden Kommissare gesprochen hatten.
»Verdammter Mist!«, zischte Lenz.
»Wir suchen nach einer Frau, die mit der ganzen Sache offensichtlich gar nichts zu tun hat.«
»Und müssen die finden, die sich als Roswitha Krauss ausgegeben hat«, führte Hain den Gedanken fort.
»Die Sache wird zunehmend unübersichtlich«, ergänzte Gecks. »Ihr beiden seid die Einzigen, die sie gesehen haben, deswegen mache ich am besten gleich einen Termin fürs Phantombild aus.«
Lenz wollte sofort anfangen zu jammern, weil er diese Prozedur ebenso hasste wie jeder andere Polizist, Hain kam ihm jedoch zuvor.
»Na, da freuen sich mein Chef und ich doch ganz außerordentlich. Mach mal, RW, sonst kriegen wir die Dame am Ende nie mehr zu Gesicht.«
»Geht klar. Und ich kümmere mich darum, dass wir die echte Roswitha Krauss finden und hierher bekommen. Vielleicht erklärt sie uns ja, wie es zu dieser bemerkenswerten Verjüngung gekommen ist.«
Damit verabschiedete er sich und ließ die beiden allein.
Lenz setzte sich auf Hains Stuhl, legte die Beine auf den Schreibtisch und verschränkte die Arme hinter dem Kopf.
»Und, Thilo, was machen wir jetzt?«
Hain sah auf die Uhr.
»Normalerweise würde ich sagen, wir machen Feierabend. Aber in Anbetracht deiner Ermittlungsergebnisse empfehle ich, bei Herrn Dr. Roll nachzufragen, in welcher wichtigen Position sich Hedwig Hainmüller für die Belange der IHK als 400-Euro-Kraft starkgemacht hat. Danach besuchen wir den guten Blochin und horchen mal, warum er indirekt die Wohnung einer 20-Jährigen mit der Identität einer 60-Jährigen bezahlt.«
Lenz dachte einen Moment nach, ließ die Beine nach vorne fallen und stand auf.
»Dann los«, sagte er.
Roll war in einer Sitzung, wie die nette Frau Schiller von der Rezeption ihnen mitteilte.
»Und er möchte unter gar keinen Umständen gestört werden, hat er mich wissen lassen. Ich kann Ihnen höchstens anbieten, oben auf ihn zu warten, allerdings kann es noch eine Weile dauern. Ich selbst mache nämlich jetzt Feierabend.«
Als die Polizisten vor Rolls Büro ankamen, hörten sie von drinnen gedämpfte Anzeichen einer hitzigen Diskussion. Offenbar war Roll mit mindestens zwei weiteren Personen in einen handfesten Streit verwickelt. Hain presste sein Ohr so dicht wie möglich an die Tür, konnte jedoch keine Einzelheiten verstehen. Kurz darauf wurden die Stimmen leiser. Dann verstummte das Gespräch ganz, die Tür öffnete sich, und die Kommissare blickten in das angespannte Gesicht von Wesna Hollerbach, der stellvertretenden Leiterin der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit der BBE. Direkt dahinter tauchte ihr Chef auf. Lenz war für einen Sekundenbruchteil irritiert, schaltete aber blitzschnell.
»Guten Abend, Frau Hollerbach, schön Sie zu sehen«, flötete er übertrieben fröhlich und streckte die Hand aus.
Die Frau sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an, griff langsam nach seiner Hand, drückte sie kurz und zog sie schnell wieder zurück. Lenz schaute an ihr vorbei in Blochins Gesicht.
»Und der Herr Blochin ist auch da«, fuhr er honigsüß fort. »Da können wir uns ja den Weg nach Niederzwehren sparen, meine Herrschaften.«
Blochin schob die Frau ein klein wenig an, sodass sie sich aus dem Türrahmen nach vorne bewegte. Damit stand er Lenz direkt gegenüber.
»Wenn Sie etwas von mir wollen, Herr Kommissar, wenden Sie sich bitte an meine Anwälte. Ich persönlich werde nicht mehr mit Ihnen oder Ihrem Kollegen sprechen. Dafür haben Sie nach Ihrem Auftritt von gestern sicher Verständnis.«
»Keinesfalls, Herr Blochin. Wir hätten ganz im Gegenteil noch ein paar Fragen an Sie persönlich.«
Der Russe ging nicht darauf ein, sondern umkurvte Lenz und Hain.
»Komm!«, zischte er Wesna Hollerbach an, die regungslos dagestanden hatte und nun hastig hinter Blochin herlief.
Hain warf seinem Chef einen schnellen Blick zu,
Weitere Kostenlose Bücher