Kammerflimmern
dem Jugendamt ein paar Anwälte auf den Hals hetzen, und dann gehen wir auf Weltreise, du und ich.«
Die Vierzehnjährige kicherte und zog die Beine aufs Sofa. Sie hatte von ihren Eltern vierzehn Millionen und das Haus geerbt, der erfolgreiche Betrieb des Vaters hatte eine nette Summe eingebracht, als der Kompagnon einen Käufer für Robert Zuckermans 75 Prozent der Aktien gefunden hatte. Sie wohnten noch immer in dem Haus, Sara und Thea, und das Geld würde bis zu Theas achtzehntem Geburtstag vom Jugendamt überwacht werden.
»Möchte sonst noch jemand Tee?«, rief Sara aus der Küche. »Oder was anderes?«
»Nein danke«, sagte Thea.
Ola gab keine Antwort. Er nahm die Fernbedienung vom Tisch und schaltete den Fernseher ein. »Wie oft bist du heute eigentlich schon interviewt worden?«, fragte er.
»Ich hab den Überblick verloren«, sagte Sara und setzte sich wieder. »Aber jedenfalls hatten wir sechs Sender hier.«
»CNN und überhaupt«, sagte Thea begeistert. »Du kommst auf der ganzen Welt ins Fernsehen, Sara. Ist doch cool, oder?«
»Die Leitung des GRUS sieht das anders«, sagte Sara zufrieden. »Ich habe eine wütende E-Mail vom Direktor bekommen, und sogar der alte Benjaminsen war reichlich erbost, als er mich gegen sechs Uhr angerufen hat. ›Solche Solonummern können‹«, sie ahmte seine abgehackte Aussprache nach, »›deine Sache nicht gerade stärken. Dein Verhalten in den Medien ist äkkklatannntttt ...‹«
Thea versetzte ihr mit einem Kissen einen Schlag. »Nachäffen ist gemein!«
»Stimmt. Entschuldige.«
»Warum hast du das alles eigentlich an die Öffentlichkeit gebracht?«, fragte Ola und drehte den Fernseher leiser. »Du nervst doch immer wegen Rücksicht auf Patienten und Angehörige«, sagte er vorwurfsvoll. »Dass du diesen Fall in der Öffentlichkeit breittrittst, kann doch nicht sonderlich angenehm sein für die Familien von Berntsen und Holmström oder für alle anderen, die jetzt eine Sterbensangst davor haben, dass der ICD in ihrem Leib ihnen plötzlich das Leben nimmt.«
»Das ist richtig«, sagte Sara, »aber wenn man mir dermaßen in den Rücken fällt, muss ich zurückschlagen. Weder die Patienten noch ich haben etwas davon, dass ein Haufen Journalisten einen Verdacht gegen dich oder mich entwickelt. Gran hat eine Blutspur ausgelegt, die zu uns führte, und ich musste die Meute wieder in die richtige Richtung lenken. Merk dir, Thea ...«
Sara stellte die Tasse hin und wandte sich mit erhobenem Zeigefinger ihrer Nichte zu. »Lass andere Leute in Ruhe. Erweise allen Respekt und Fürsorge. Schlage nie als Erste zu. Aber ...«
Sie ließ den Finger sinken und ballte die Faust.
»... wenn dich jemand angreift, dann schlag sofort zurück. Hart und erbarmungslos.«
»Sara«, stöhnte Thea und drückte sich das Kissen vor das Gesicht, sodass der nächste Satz halb erstickt wurde. »Das macht sie immer so. Stellt blöde Lebensregeln auf.«
Sara lächelte und fuhr ihr hinter dem knallroten Kissen durch den Schopf. »Das liegt daran, dass ich dich so lieb habe, Herzchen. Außerdem ...«
Sie sah Ola über ihre Brillengläser hinweg an.
»... ich habe ihnen längst nicht die ganze Geschichte erzählt. Kein Wort über FUCK YOU ...«
»Sara!«
Thea versetzte ihr einen wütenden Stoß. »Solche Wörter sind hier im Haus verboten!«
Sara schlug sich dramatisch die Hand vor den Mund, dann ließ sie ihren Blick einige Sekunden an Ola hängen, ohne etwas zu sagen. Er nickte.
»Offenbar ist ein Deckel über die Spekulationen gestülpt worden, dass es sich um ...«
»Pure Sabotage handelt«, vollendete er in Gedanken den Satz, als Saras Augen ihn warnten. »Um eine absolut vorsätzliche Tat.«
»Jetzt gibt es Nachrichten«, sagte Sara.
Ola drehte die Lautstärke hoch, und die Erkennungsmelodie der NRK-Nachrichten füllte das Wohnzimmer. Der erste Beitrag wurde durch Bilder vom GRUS und eine Großaufnahme von Sara angekündigt.
Thea zeigt eifrig darauf. »Da bist du! Du bist von Anfang an dabei und ...«
»Pst«, sagte Ola mit einer ungeduldigen Handbewegung.
Die Sendung begann mit einer ziemlich präzisen Zusammenfassung der Informationen, die während des Nachmittags immer wiederholt worden waren. In zwei kurzen Schnitten brachte Krankenhausdirektor Svein-Arne Gran einige nichtssagende Kommentare, die auf die Polizei verwiesen. Die Reportage wurde unterlegt mit weiteren Bildern des Krankenhauses und eines Operationssaals, der weder Sara noch Ola bekannt
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