Kammerflimmern
verbrannt, und das Telefon lag in viele Stücke zerbrochen auf dem Boden des Wasserfalls bei Hundremannsbrua.
Was das Essen anging, zu dem Morten Sverre am vergangenen Mittwoch eingeladen hatte, so hatte er auch dabei seine Sicherheitsvorkehrungen getroffen. So ein Peptalk war notwendig gewesen, denn der Mann schien zu bereuen. Zu zweifeln. Er musste beruhigt und auf andere Gedanken gebracht werden. Es mochte seltsam aussehen, dass Morten einen Ingenieur zum Essen einlud, vor allem weil er sich sonst nur selten mit seinen Kollegen traf. Aber Sverre war Single, und sie hatten durch einen genau geplanten Zufall wenige Wochen zuvor ein Freitagsbier zusammen getrunken. Was sie einige Male wiederholt hatten.
Was Sverre vor seinem Kommen nicht gewusst hatte, war, dass noch eine Freundin von Morten eingeladen war, wenn auch eine Stunde später. Das Essen war ein Versuch gewesen, die beiden Bekanntschaften zusammenzubringen. Eine Frühlingsromanze, aus der leider nichts geworden war.
Absolut nicht verdächtig.
Falls jemand fragte.
Falls der verrückte Sverre Bakken eine irrwitzige Geschichte über Manipulation und Morde erzählte, die er, was er nicht wusste – begangen hatte.
Denn natürlich hatte er nichts gewusst. Nicht, ehe es zu spät und er von seinen Taten gefangen gewesen war.
Wenn Sverre Bakken auch noch so verbittert, pleite und wankelmütig war, so war er doch ganz bestimmt kein Mörder. Morten hatte ihm deshalb erzählt, das Virus werde den Patienten ein unangenehmes Pacing verpassen, und deshalb müsse der ICD ausgewechselt werden. Durch ein anderes Fabrikat. Sverre hatte mehrmals gefragt, warum Morten seiner eigenen Firma schaden wolle, aber er hatte nie eine Antwort erhalten.
Sverre müsse einfach den Mund halten, hatte Morten befohlen. Erstens werde die Polizei nicht eingeschaltet werden, das sei doch klar. Das Krankenhaus werde nur registrieren, dass mit dem Deimos derzeit nicht alles zu stimmen schien. Krankenhaus und Ärzte besaßen eine lange Erfahrung im Vertuschen von Fehlern und Mängeln. Sie würden sich nur in aller Heimlichkeit an Mercury Medical wenden, und das könne Sverre getrost Morten überlassen. Falls der Fall aller Wahrscheinlichkeit zum Trotz doch zur Ermittlung käme, wäre Sverre gesichert. Die Programmierer von Mercury Medical würden natürlich in einem engeren Kreis als Verdächtige dastehen, das musste Morten zugeben. Aber da das Virus mithilfe von Codes und Kryptierungen erzeugt worden war, zu denen Sverre Bakken nachweislich niemals Zugang gehabt hatte, würde er ungeschoren davonkommen. Wenn er nur alles abstritt, wie Morten ihm immer wieder einschärfte. Es würde keinen Hauch von einem Beweis gegen ihn geben, wenn er nur die Klappe hielte.
Zwei Millionen sollte Sverre für den Job bekommen, und das waren zwei Millionen, die er verzweifelt brauchte.
Als Sverre am Donnerstagmorgen vom Parkplatz vor dem GRUS aus anrief, entsetzt, weil der Patient, der krank im Bett liegen sollte, jetzt in eine laute Diskussion mit einem jungen Mann vertieft war und frisch und gesund aussah, hatte Morten ihm kurz und brutal gesagt, woran er mitgewirkt hatte. Was passieren würde. Was passieren musste, wenn Sverre das Geld haben wollte.
Das Geld, daran hatte Morten ihn mehrere Male erinnert.
Sverre hatte gehorcht.
»Damit kommst du nie im Leben durch«, weinte seine Mutter und legte beide Hände auf den Bildschirm. »Orty! Orty! Was hast du getan?«
»Was ich getan habe? Denk daran, was Otto getan hat! Er hat Papa bestohlen, hat dein Leben ruiniert, er hat dich und ...«
»Das ist meine Verantwortung«, schrie Rebecca. »Ich bin halb bewusstlos von Pillen im Presbyterian erschienen und habe Patienten behandelt, die sich auf mich verlassen hatten. Ich habe am Ende klare Symptome übersehen, weil ich mehr als genug damit zu tun hatte, dass ich ...«
Sie hob das Gesicht zur Decke und schnappte keuchend nach Luft, ehe sie einen Schrei ausstieß, der vom Mikrofon verzerrt wurde und Morten dazu brachte, beide Hände auf den Bildschirm zu legen und langsam das Glas zu streicheln.
»Mama«, sagte er verzweifelt. »Mama! Bald komme ich nach Hause. Ich ziehe um, Mama, nach Hause, nach New York. Und dann wird alles viel besser.«
Sie war so mager, das sah er jetzt. Schlimmer als bei ihrer letzten Begegnung. Der Hals war klapperdürr und konnte den Kopf fast nicht tragen. Ihre Haut spannte sich so straff über den Schädel, dass sie aussah wie eine Kriegsgefangene.
Was sie ja irgendwie
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