Kammerflimmern
glauben. »Wir haben doch sicher irgendwelche Richtlinien?«
Er sah den Krankenhausdirektor an.
»Ich verständige unverzüglich den Aufsichtsratsvorsitzenden«, sagte Gran. »Ich gehe davon aus, dass er den Aufsichtsrat sehr rasch informieren wird. Bei einem Rundruf, wenn nicht alle heute noch zusammenkommen können. Außerdem muss ich die geschäftsführende Direktorin des Gesundheitsbezirks Südost verständigen. Ich war ohnehin heute um zehn Uhr mit ihr verabredet, ich weiß also, dass ich sie erreichen werde. Auch die Gesundheitsbehörden müssen informiert werden. Und die Polizei. Ich rufe den Polizeidirektor für Asker und Bærum an, sowie ich den Aufsichtsratsvorsitzenden informiert habe, damit wir uns über das praktische Vorgehen einigen.«
»Was machen wir mit Mercury Medical?«, fragte Ola. »Für die wird das doch die Hölle, und wir reden hier von börsensensiblen ...«
»Mercury Medical geht mir sonst wo vorbei!«
Svein-Arne Gran beugte sich vor und packte den Ordner mit den Berichten, die Ola und Sara geschrieben hatten.
»Um Mercury Medical kann die Polizei sich kümmern. Ihr habt denen ja fast die Arbeit abgenommen, indem ihr euch diesen ...«
Er suchte in seiner Erinnerung.
»Sverre Bakken«, half Ola nach. »Aber von dem hat im Moment niemand sehr viel. Er hat einen totalen Zusammenbruch erlitten. Ich habe ihn in Ullevål einweisen lassen. Akute Psychose.«
»In Ullevål?«
Gran ließ seinen Blick von Ola zu Sara und zurück wandern. »Ihr habt Ullevål einen Mörder überlassen, ohne dass die das wissen? Habt ihr denn restlos den Verstand ...«
»Er ist psychotisch«, fiel Sara ihm ins Wort. »Weder Dr. Farmen noch ich sind Psychiater, aber wir können beide bestätigen, dass Sverre Bakken im Moment sehr, sehr krank ist. Was übrigens auch die wachhabende Kollegin in Ullevål bestätigt. Und sie ist Psychiaterin.«
»Aber ...«
Gran fuhr sich mit der Hand über die kurz geschnittenen und noch immer fast schwarzen Haare.
»Was hätten wir denn mit ihm machen sollen?«, fragte Sara leicht herablassend. »Ihn mit zu dir bringen? Bei der Polizei einen lallenden, babbelnden, weinenden und sehr kranken Mann abliefern? Außerdem ...«
Sie warf die Haare in den Nacken. »Außerdem ist Sverre Bakken in vieler Hinsicht selbst ein Opfer«, sagte Sara. »Das Einzige, was er von sich gegeben hat, ehe er sich total verschlossen hat, war, dass er nicht gewusst hat, dass jemand sterben würde.«
»Und das glaubst du«, sagte Gran ironisch. »Einfach so.«
»Ja«, sagte Sara, »das glaube ich. Es stecken ganz offenbar andere dahinter. Wenn ihr meinem Bericht zugehört habt, dann wisst ihr, dass ein Mann wie Sverre Bakken nie im Leben dieses Virus entwickelt haben kann. Jemand hat es hergestellt, und jemand, vielleicht nicht einmal derselbe, hat ein Interesse daran, dass dieses Virus ... ausgebrochen ist, sozusagen. Sverre Bakken ist nur eine Figur in ihrem Spiel.«
Gran sah Sara noch immer angriffslustig an, aber der Klinikchef kam ihm zuvor. »Dann sagen wir so«, sagte er und schlug mit einer klobigen Faust kurz auf den Tisch. »Ihr beide müsst heute für Gran und mich erreichbar sein. Es kann ein langer Tag werden.«
Der Krankenhausdirektor nickte kurz und erhob sich, während er den roten Ordner mit den Berichten in seine Aktentasche schob. »Dann sollten wir dafür sorgen, dass die da nicht wieder auf Abwege gerät«, sagte er und zeigte auf die Programmiermaschine. »Ich nehme sie mit in mein Büro und lasse sie nicht aus den Augen, bis die Polizei hier ist.«
Sara machte eine gebieterische Handbewegung, ehe auch sie aufstand und zur Tür ging.
»Ich werde dieses Geschehnis oben in Romeriksåsen verfolgen müssen«, sagte der Direktor laut.
»Tu, was du nicht lassen kannst«, sagte Sara, ohne sich umzudrehen. »Ich hätte ja gedacht, du hättest im Moment andere Sorgen.«
»Deine Reise nach Amerika ist auch nicht mehr gesichert«, hörte sie Benjaminsen sagen.
»Doch. Ich fliege morgen Nachmittag. Es ist ein wichtiger Kongress, und ich halte zwei Vorträge. Niemand kann behaupten, ich hätte in dieser Angelegenheit nicht genug getan.«
Vor der Tür drehte sie sich noch einmal zu ihnen um. »Ein Dank wäre übrigens nicht unangebracht«, sagte sie laut. »Für mich, aber vor allem für Dr. Farmen. Er war unvergleichlich.«
7.30 Uhr
Mercury Medical Zentrale für Nordeuropa und Norwegen, Sandakerveien, Oslo
»Das kann nicht stimmen«, sagte Morten Mundal mit müdem
Weitere Kostenlose Bücher