Kammerflimmern
Lächeln. »Das kann einfach nicht stimmen. Möchtest du noch Kaffee?«
Agnes Klemetsen schüttelte den Kopf. Seit dem Aufstehen hatte sie schon drei große Becher geleert. Trotzdem war ihr Kopf schwer. Sie hatte unruhig geschlafen und spürte ein Kratzen im Hals, als ob sie etwas ausbrütete.
»Jemand vom GRUS hätte sich bei uns gemeldet, wenn sie auch nur den kleinsten Verdacht hätten, dass mit dem Deimos etwas nicht stimmt«, sagte Morten Mundal. »Und das ist nicht passiert.«
»Da bist du dir ganz sicher?«
»Natürlich bin ich mir sicher«, sagte er. Zum ersten Mal in diesem Gespräch hörte sie in seiner Stimme einen gereizten Unterton. »Ich kenne Sara Zuckerman außerdem gut, und wenn sie auch noch so selbstherrlich ist, ist ihr doch die Verantwortung bewusst, die daraus folgt, einen ... einen Mangel beim Deimos zu entdecken.«
Er schüttelte bei der bloßen Vorstellung den Kopf. »Aber sicherheitshalber kann ich ja unsere beiden Programmierer fragen, die im GRUS eingesetzt werden. Sivert Sand und Sverre Bakken heißen sie. Das dauert nur einen Moment.«
Er griff zu seinem Mobiltelefon. »Blackberry«, sagte er und lächelte. »Total veraltet. Du hast bestimmt ein iPhone.«
Agnes gab keine Antwort.
Während er telefonierte, sah sie sich um, ohne es zu auffällig wirken zu lassen. Das Büro war nüchtern, fast spartanisch eingerichtet. Ein Bücherregal an der einen Wand, halb voll mit Nachschlagewerken, Werbematerial und Ordnern in verschiedenen Farben. An einer anderen Wand hing ein gerahmtes Plakat von einer Chagall-Ausstellung in Brüssel. Bei der Tür stand ein weißer stilisierter Baum, der als Garderobenständer diente. Morten Mundals Schreibtisch war aufgeräumt, ohne einen einzigen Gegenstand, der verraten könnte, wer Mundal eigentlich war.
Niemand meldete sich am Telefon, wie es schien.
Jedenfalls sagte Morten Mundal nichts, und seine Miene wechselte von Gereiztheit zu leichter Besorgnis.
»Krieg keine Antwort«, sagte er und starrte einen Moment lang wütend sein Telefon an, als wäre das an allem schuld.
»Du hast keine Nachricht hinterlassen«, sagte Agnes Klemetsen.
»Sie sehen, dass ich angerufen habe. Das ist Nachricht genug.«
Plötzlich lächelte er wieder und ließ sich in seinem Schreibtischsessel zurücksinken. »Aber noch einmal: Mit dem Deimos ist alles in Ordnung.«
»Könntest du trotzdem beim GRUS nachfragen?«
»Natürlich. Ich warte eine halbe Stunde, ob die Jungs sich melden. Und wenn ich dann nichts gehört habe, rufe ich Dr. Benjaminsen an.«
Er setzte sich gerade und blickte sie mit einem fragenden Lächeln an. »Kann ich sonst noch etwas für dich tun?«
Agnes musterte den jungen Mann. Er war noch keine vierzig, das wusste sie, und er sah noch jünger aus. Gepflegt, mit vollem Haar, die Kleidung weder förmlich noch zu salopp. Trotz seines selbstsicheren Wesens und seiner unbestreitbaren Kompetenz war es doch überaus beeindruckend, dass er schon mit neunundzwanzig diese leitende Stellung erhalten hatte.
»Kennst du Otto Schultz?«, fragte sie plötzlich.
»Nein. Ich bin ihm natürlich einige Male begegnet und habe regelmäßig Kontakt mit ihm per Telefon und E-Mail. Aber kennen? Nein.«
Sein Mund verzog sich zu einem kleinen Lächeln, dann beugte er sich vor und fügte hinzu: »Kaum jemand kennt Otto Schultz. Du vielleicht?«
»Nach deiner Definition nicht. Ich sitze eben im Aufsichtsrat und bin ihm in diesem Zusammenhang begegnet. Ich habe übrigens gestern Abend mit ihm gesprochen.«
»Ach?«
Agnes glaubte, in seinem Blick etwas Hellwaches zu sehen. Sie versuchte, das festzuhalten, als sie hinzufügte: »Er hatte ein seltsames Erlebnis.«
Morten Mundal runzelte ganz leicht die Stirn.
»Er hat eine E-Mail bekommen«, sagte sie. »Eine E-Mail über einen Todesfall.«
Jetzt waren seine Gedanken ihm unmöglich anzusehen.
»Es ging um Erik Berntsen«, sagte sie.
Er zuckte kurz mit den Schultern, sagte aber nichts.
»Kennst du diesen Mann?«, fragte sie. »Professor der Elektrophysiologie Erik Berntsen?«
»Hab von ihm gehört. Otto Schultz hat mich übrigens auch nach ihm gefragt. Ich glaube, das war am Samstag.«
»Er ist am Donnerstag gestorben.«
Sie hatte sich diese Technik schon vor langer Zeit angewöhnt. Wenn sie sich nicht sicher war, was ein Gesprächspartner dachte und fühlte, sagte sie kurze Sätze und gab nur nach und nach Informationen preis. Das Gegenüber wurde dann meistens unsicher und neigte dazu, sich zu
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