Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Kammerflimmern

Kammerflimmern

Titel: Kammerflimmern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Even Anne; Holt Holt
Vom Netzwerk:
versprechen.
    Bei Morten Mundal war das anders. »Das weiß ich«, sagte er. »Wie schon gesagt, Otto hat mich wegen dieses Todesfalls angerufen.«
    »Was Otto zu schaffen macht«, sagte sie langsam, »ist, dass er am vergangenen Mittwoch eine anonyme E-Mail bekommen hat.«
    Wieder versuchte sie es mit einer Pause. Sie empfand plötzlich so etwas wie Misstrauen gegenüber dem Mann, der entspannt auf der anderen Seite des Schreibtisches saß. Sie hatte ihn bei ihrer ersten Begegnung sofort gemocht. Morten Mundal war sympathisch, offenbar tüchtig, und sein Aussehen hätte sie eher auf die Modelbranche tippen lassen. Heute aber war er anders. »Slick« wurde das in den USA genannt, Morten Mundal hatte etwas Aalglattes. Was ihr plötzliches Gefühl mit ihrer Sorge wegen des Deimos zu tun haben sollte, konnte sie trotzdem nicht begreifen.
    Weibliche Intuition, dachte sie und ließ die Pause andauern.
    »Eine anonyme E-Mail?«, fragte Morten Mundal endlich. »Worüber denn?«
    »Darüber, dass Berntsen tot ist.«
    »Am Mittwoch? Aber Berntsen ist doch erst am Donnerstag gestorben. Selbst beim Zeitunterschied ...«
    Sie sah, dass er in Gedanken rechnete.
    »Berntsen ist gegen halb zehn gestorben«, sagte er verwirrt. »Ich habe mich auf Ottos Wunsch darüber informiert. Er kann unmöglich am Mittwoch von dem Todesfall erfahren haben.«
    Jetzt wirkte er immerhin ein wenig unsicher.
    »Aber so war das eben«, sagte sie.
    »Das muss doch bedeuten ... Jemand hat also gewusst, dass Berntsen sterben würde?«
    Er machte diese Behauptung zur Frage, indem er Agnes skeptisch ansah. Sie nickte nur zur Antwort.
    »Und ihm war erst zwei Tage zuvor ein Deimos eingesetzt worden«, sagte er langsam. »Wenn jemand gewusst hat, was passieren würde, ehe es passiert ist, kann das doch bedeuten, dass ... Jetzt begreife ich.«
    Agnes Klemetsen begriff nicht, was er begriffen hatte. Er nahm den Blackberry und gab eine abgekürzte Nummer ein.
    »Hilde? Morten hier. Tut mir leid, dich so früh zu stören, aber ...«
    Er wurde offenbar von der Versicherung unterbrochen, dass es nicht schlimm sei.
    »Ich habe versucht, Sivert und Sverre zu erreichen«, sagte er nach einigen Sekunden. »Keiner von beiden hat zurückgerufen. Kannst du versuchen, sie für mich ausfindig zu machen?«
    Neue kurze Pause.
    »Danke. Sag ihnen, dass es wichtig ist.«
    Als er das klobige Telefon weggelegt hatte, griff er sich mit beiden Händen an die Schläfen. »Verdammt«, sagte er so leise, dass sie nicht ganz sicher war, ob er wirklich geflucht hatte. »Wenn jemand am Deimos herumgepfuscht hat, sind wir übel dran.«
    Als er die Hände sinken ließ, sah sie eine kräftige Röte, die an seinem Hals aufstieg. Seine Oberlippe war schweißnass.
    »Verdammt«, wiederholte er, diesmal laut und deutlich.
8.45 Uhr
Wells Hotel, Vincent Square, London
     
    Audun Berntsen saß bereits auf seinem Stammplatz in der Ecke der heruntergekommenen Rezeption des Wells Hotels. Der Korbsessel ächzte, aber inzwischen fand er dieses Geräusch recht gemütlich. Vivian war eben gegangen. Sie hatten kurz knutschen können, dann war ihre endlose Schicht beendet gewesen, und sie war abgelöst worden. Audun konnte nicht begreifen, wann diese Frau schlief. Sicher arbeitete sie sechzehn Stunden am Tag, und als er sie nach ihrem Stundenlohn gefragt hatte, war er sprachlos.
    Man hätte meinen können, das Hotel gehöre ihr, so, wie sie sich für den Hungerlohn abmühte.
    Er mochte Vivian. Er mochte sie wirklich. Sie hatte mit sechzehn die Schule abgebrochen, und ihren Wissensstand hätte er für eine Zehnjährige ausreichend gefunden. Aber sie hatte etwas. Etwas Offenes und Zugängliches und Warmes. Etwas Fürsorgliches, dachte er immer häufiger. Ohne die viele Schminke wäre sie noch dazu sehr hübsch.
    Vielleicht könnte Vivian mit nach Norwegen kommen.
    Audun hatte keine Ahnung, wann er nach Norwegen zurückkehren würde.
    Der Vortag war an den Börsen von London und New York wieder unruhig gewesen, aber er hatte kein Geld verloren. Er hatte auch nicht viel gewonnen, aber ein paar Tausender eben doch. Es geht zu langsam, dachte er und loggte sich im Laptop ein, während er Kaffee aus einem Becher schlürfte, den Vivian ihm gegeben hatte.
    »My guy« stand in Goldbuchstaben in einem blutroten Herzen. Der Henkel war geformt wie ein kleiner Amor.
    Jetzt war es an der Zeit, wieder groß zu verdienen. Der Montag war das reine Halleluja gewesen, der Dienstag viel schlechter. Er hatte nichts

Weitere Kostenlose Bücher