Kammerspiel: Der fünfte Fall für Rünz (German Edition)
Erklärung
dafür, dass Sie mich nicht längst hochkant aus Ihrem Büro rausgeschmissen haben?
3
Klient: Lassen
Sie mich raten, Karl: Von Welders haben Sie immer noch keine Spur, aber Sie haben
wieder wahnsinnig wichtige Meldungen von irgendwelchen unwichtigen Nebenkriegsschauplätzen,
die Sie mir unbedingt mitteilen müssen.
Detektiv: Wie
man’s nimmt. Ich habe einige interessante Details von der Familie der Spenderin.
Klient: Halleluja.
Ich wusste es. Gott, bin ich froh, dass ich mit Ihnen eine Pauschale ausgehandelt
habe.
Detektiv: Ihr
Vater ist ein Fachkollege von Ihnen, ein Psychoanalytiker. Ein verrückter Zufall,
finden Sie nicht?
Klient: Ja,
natürlich ein Zufall. Sollte ich vergessen haben, es zu erwähnen? Ich bin nicht
der Einzige mit diesem Beruf.
Detektiv: Jetzt
tun Sie nicht so, als wären Analytiker so verbreitet wie Sanitärinstallateure. Er
ist übrigens weit weniger geheimniskrämerisch als Sie. Hat sogar einen Eintrag im
Telefonbuch mit seiner Praxis. Und einen kleinen Webauftritt!
Klient: Ja,
die Menschen sind verschieden. Vielleicht muss er werben für seine Dienstleistung.
Ich habe das eben nicht nötig.
Detektiv: Wenn
man in seiner Praxis anruft, hört man nur die Ansage seines Anrufbeantworters. Eine
Frauenstimme.
Klient: Eine
Frauenstimme? Vielleicht hat er eine Sprechstundenhilfe! Wir sollten sofort die
Polizei rufen!
Detektiv: Laut
Ansage – und einem Hinweis auf seiner Webseite – muss seine Praxis wegen unerwarteter
gesundheitlicher Probleme vom 4. April an auf unbestimmte Zeit geschlossen bleiben.
Das war genau ein Tag vor unserem ersten Treffen. Eine merkwürdige Koinzidenz, finden
Sie nicht?
Klient: Oh Karl!
Wie geht das jetzt weiter? Fragen Sie mich gleich nach meinem Sternzeichen? Lesen
Sie mir aus der Hand?
Detektiv: Ich
rede nur über Fakten. Und versuche, eins und eins zusammenzuzählen. Und noch etwas:
Ich habe stichhaltige Hinweise darauf, dass die Familie dieses Analytikers jüdische
Wurzeln hat.
Klient: Sie
bluffen.
Detektiv: Tue
ich nicht.
Klient: Schluss
jetzt, Karl. Sie haben den Bogen überspannt. Bitte hören Sie auf. Das ist wirklich
übelste Kolportage. Natürlich, Juden sind entweder Kredithaie oder Psychoanalytiker.
Ich bitte Sie. Sie bedienen hier wirklich die billigsten antisemitischen Klischees.
Das ist das Niveau von Welders. Bauen Sie diesen Mist in Ihren nächsten Roman ein,
aber lassen Sie uns wieder zur Sache kommen. Warum grinsen Sie so dämlich?
Detektiv: Ich
glaube, Sie haben recht, Jacques. Ich habe tatsächlich viel zu viel Fantasie. Es
ist eine völlig verrückte Idee.
Klient: Also
bitte, reden Sie sich Ihre Theorie jetzt und hier von der Seele, vielleicht können
wir dann endlich wieder zur Sache kommen.
Detektiv: Also
gut: Nehmen wir mal an, die verstorbene Organspenderin ist tatsächlich Tochter jüdischer
Eltern. Und nehmen wir weiter an, der Vater der Spenderin erfährt durch irgendeinen
noch zu rekonstruierenden Zufall von der Identität und der braunen Gesinnung des
Mannes, der mit dem Herzen seiner Tochter weiterlebt. Stellen Sie sich das vor,
das Herz seiner Tochter hilft einem Neonazi nicht nur weiterzuleben, sondern auch,
weiter für seine antisemitische Gesinnung zu werben! Eine unerträgliche Situation.
Klient: Nun,
was diesen zu rekonstruierenden Zufall angeht, da sehe ich bei Ihren kreativen Fähigkeiten
keine Probleme. Ich gebe zu, großes Melodram, ein filmreifer Stoff. Wie geht die
Geschichte weiter?
Detektiv: Nun,
dieser Münchner Analytiker ist seelisch völlig zerrüttet, verliert komplett sein
inneres Gleichgewicht. Er beschließt, Welders umzubringen.
Klient: Die
Placebos!
Detektiv: Genau!
Er kommt irgendwie an Welders’ Medikamentenliste, besorgt die Placebos, dringt –
wie ich – in dessen Wohnung ein, tauscht die Schachteln aus. Aber dann passiert
etwas Unerwartetes. Welders verschwindet, zu irgendeinem Wehrsporttreffen in der
nordfranzösischen Provinz. Mitsamt den Placebos. Unser Analytiker ist verzweifelt.
Er muss Welders unbedingt finden.
Klient: Warum?
Soll er doch in den alten Schützengräben von Verdun sterben! Ist das nicht genau
das Ziel des trauernden und rachsüchtigen Vaters?
Detektiv: Vielleicht
reicht es ihm nicht, zu wissen, dass Welders elend zugrunde geht. Er will es mit
eigenen Augen sehen. Oder er hat plötzlich Skrupel bekommen und will Welders vor
dem sicheren Tod retten, weil mit
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